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Wie ein einziger Tag

Wie ein einziger Tag

Titel: Wie ein einziger Tag
Autoren: Nicholas Sparks
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ich eine Verschnaufpause zwischen den Hochzeitsvorbereitungen.« Sie hatte sich geschämt, so zu lügen, doch sie hätte ihm unmöglich die Wahrheit sagen können. Ihre Reise hatte nichts mit ihm zu tun, und es wäre unfair gewesen, ihn um Verständnis zu bitten.
    Es war eine zügige Fahrt von Raleigh, kaum mehr als zwei Autostunden, und sie kam kurz vor elf in der Stadt an. Sie nahm sich ein Zimmer in einem kleinen Hotel im Zentrum, packte ihren Koffer aus, hängte die Kleider in den Schrank, legte die restlichen Sachen in die Fächer. Sie aß rasch zu Mittag, fragte die Bedienung nach den verschiedenen Antiquitätenläden in der Stadt und verbrachte die folgenden Stunden mit Einkäufen. Gegen halb fünf war sie wieder in ihrem Zimmer.
    Sie hockte auf der Bettkante, griff zum Telefon und rief Lon an. Er konnte nicht lange sprechen, da er einen Gerichtstermin hatte, so gab sie ihm rasch die Telefonnummer des Hotels und versprach, sich am nächsten Tag zu melden. Gut, dachte sie, als sie den Hörer auflegte. Die üblichen Alltagsgespräche. Nichts Außergewöhnliches. Nichts, das ihn mißtrauisch machen würde.
    Sie waren jetzt seit fast vier Jahren zusammen. 1942 hatte sie ihn kennengelernt; die Welt lag im Krieg, und auch Amerika war seit einem Jahr dabei. Jeder daheim übernahm seinen Part, sie als freiwillige Helferin in einem Lazarett in der Stadt. Sie wurde dort gebraucht und geschätzt, doch es war schwerer, als sie gedacht hatte. Die ersten jungen verwundeten Soldaten wurden heimgeflogen, und sie verbrachte ihre Tage mit gebrochenen Männern und zerschmetterten Leibern. Mehrere starben, während sie ihnen übers Haar strich, ihre Hand hielt. Als sie Lon mit seinem natürlichen Charme auf einer Weihnachtsparty kennenlernte, sah sie in ihm genau das, was sie brauchte: einen Menschen mit Vertrauen in die Zukunft und mit Humor, einen Mann, der ihre Ängste vertrieb.
    Er war attraktiv, intelligent und ehrgeizig, ein erfolgreicher Anwalt, acht Jahre älter als sie, ein Mann, der seinem Beruf mit Leidenschaft nachging, nicht nur um Prozesse zu gewinnen, sondern um sich einen Namen zu machen. Sie hatte Verständnis für sein Streben nach Erfolg, weil ihr Vater und die meisten Männer aus ihren gesellschaftlichen Kreisen ganz ähnlich waren. Er war so erzogen wie sie, und im Kastensystem der Südstaaten spielten Familienname und Leistung oft eine wichtige Rolle in der Ehe - in manchen Fällen die einzig wichtige.
    Obwohl sie seit ihrer Kindheit insgeheim gegen diese Vorstellung rebelliert und ein paar Flirts mit Männern gehabt hatte, die bestenfalls verwegen zu nennen waren, hatte sie sich von Lons Charme angezogen gefühlt und ihn langsam lieben gelernt. Trotz der langen Stunden, die er in seiner Kanzlei verbrachte, war er gut zu ihr. Er war ein Gentleman, durch und durch, reif und verantwortungsvoll, und als sie Trost gebraucht hatte in jenen schrecklichen Kriegszeiten, war er stets für sie da gewesen. Sie fühlte sich geborgen an seiner Seite und wußte, daß auch er sie liebte, und das war der Grund, weshalb sie seinen Antrag angenommen hatte.
    Wenn sie daran dachte, bekam sie ein schlechtes Gewissen, und eigentlich hätte sie auf der Stelle ihre Koffer packen und abreisen müssen, bevor sie sich s anders überlegte. Sie hatte es schon einmal getan, vor langer Zeit, und wenn sie jetzt ging, würde sie nie mehr die Kraft dazu aufbringen zurückzukehren, das stand fest. Sie griff nach ihrem Notizbuch, zögerte, war schon unterwegs zur Tür… Doch der Zufall hatte sie hergeführt. Sie legte das Notizbuch wieder hin und machte sich noch einmal klar, daß sie, wenn sie jetzt abreiste, für immer darüber nachdenken würde, was geschehen wäre. Und sie glaubte, damit nicht leben zu können.
    Sie ging ins Badezimmer, ließ sich ein Bad einlaufen. Nachdem sie die Temperatur überprüft hatte, eilte sie zum Frisiertisch und nahm unterwegs ihre goldenen Ohrringe ab. Sie fand ihr Reisenecessaire, nahm ein Rasiermesser und ein Stück Seife heraus. Dann zog sie sich vor der Spiegelkommode aus.
    Seit ihrer Jugend galt sie als hübsch, und als sie jetzt nackt war, betrachtete sie sich im Spiegel. Ihr Körper war schmal gebaut und gut proportioniert, ihre Brüste waren sanft gerundet, Taille und Beine waren schlank. Von ihrer Mutter hatte sie die hohen Wangenknochen, die glatte Haut, das blonde Haar. Aber das Schönste waren ihre Augen. »Sie sind wie Meereswellen«, sagte Lon immer.
    Sie nahm Rasiermesser und Seife, kehrte ins
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