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Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Titel: Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Autoren: Stefan Schubert
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weder verboten noch zerschlagen werden konnten, ist ein Misserfolg sondergleichen. Die brutale Dominanz in den Rotlichtmilieus Niedersachsens und weiter Teile Norddeutschlands ist nicht gebrochen worden. Kriminelle Strukturen, die über 25 Jahre gewachsen sind, konnten nicht gerichtsfest belegt werden. Das kann man nur als Fiasko bezeichnen. Selbst ein einzelner Täter wie Kadir P. konnte trotz Dutzender brutaler Gewaltverbrechen in seinem Umfeld nicht juristisch sanktioniert werden. Um dieses Versagen als Erfolg zu verkaufen, benötigt man eine Überdosis Chuzpe.
    Die Krönung aber ist die Personalie Frank Hanebuth, der Boss der Bosse, wie ihn einige Medien jetzt nach italienischer Mafia-Manier bezeichnen. Obwohl der Exboxer unmittelbar vor den Augen des niedersächsischen Innenministeriums in Hannover agierte, schaute die Behörde beinahe 20 Jahre lang untätig dabei zu, wie der Mythos vom mächtigen Rockerboss entstand, den die Polizei nie fassen konnte. Die rechtzeitige Auflösung seines Charters ermöglichte es ihm, selbstbestimmt und aufrecht die Bühne zu verlassen. Es gab kein stigmatisierendes Verbot, und keine Kamera konnte ihn im Straßenstaub liegend den deutschen Zuschauern vorführen. Ganz gleich, wie sein weiterer Lebensweg aussehen mag, er wird als ein Junge aus bürgerlichem Hause in Erinnerung bleiben, dem es gelungen ist, ein Rotlicht-Imperium aufzubauen; der den Behörden immer einen Schritt voraus war, und der sich zum mächtigsten Hells Angel Europas hochgearbeitet hat.
    Während der öffentlichen Debatte um das Kieler Mordkomplott äußerte sich Hanebuth mehrfach in den Medien und dementierte eine derartige Ausnahmestellung. Die Geschehnisse der letzten 20 Jahre zeichnen jedoch ein anderes Gesamtbild: Angefangen bei der Eroberung des Hannoveraner Steintorviertels in den 90er-Jahren über das Patchover des Bones MC 1999, den Griff nach der Hamburger Reeperbahn reicht es bis zur Entstehung des weltweit größten Hells-Angels-Charters in Hannover und zum inszenierten Friedensschluss von Hannover 2010. Auch werden Männer aus dem Umfeld des Langen mit der Gründung zahlreicher weiterer Charter in Zusammenhang gebracht, etwa in Bielefeld und Potsdam sowie auf Mallorca. Der Name des Hannoveraner Präsidenten fiel im Zusammenhang mit dem Putsch gegen den ehemaligen Kölner Präsidenten Roger M. genauso wie bei der Expansion der Höllenengel in die Türkei durch den Kölner Rotlichtpaten Neco A. Andere wichtige Charter-Präsidenten verbindet laut eigener Aussage eine langjährige Freundschaft mit dem Langen. Mit dem Berliner Präsidenten André S. zusammen rekrutierte der Hannoveraner Präsident das höchst umstrittene Bandidos-Chapter El Centro des Kadir P. Über die Machtfülle Hanebuths berichtete 2012 schließlich auch der Kieler Kronzeuge Steffen R., der den Boss beschuldigte, zwei Mordaufträge erteilt zu haben und »die Endentscheidung« bei allen wichtigen Befehlen innezuhaben. Wie soll man das anders bewerten, als darin einen Nachweis der bundesweiten Steuerung des Hells Angels MC Germany durch Hanebuth an der Spitze zu sehen? Doch all diese Umstände brachte das LKA Hannover anscheinend nicht in einen Zusammenhang. Der 28. Juni 2012 dokumentiert den Tiefpunkt der gescheiterten Bemühungen.
    Ob Hanebuth es geschafft hat, sich auf Dauer aus der Schusslinie der Behörden zu bringen und ein mutmaßlich millionenschweres Dasein als Rentner zu genießen, wird nicht zuletzt von der Beweisfähigkeit der Aussage des Kieler Kronzeugen und von künftigen Kronzeugen abhängen. Denn eines verdeutlicht die Geschichte der Hells Angels immer wieder: Mit höheren Haftstrafen im zweistelligen Bereich und einer drohenden anschließenden Sicherheitsverwahrung wird es zu einer Zunahme von aussagebereiten Rockern kommen, die ihren Deal mit Justitia suchen. Und Mord verjährt nie.
    In den Medien äußerte sich Hanebuth zu seiner persönlichen Zukunft so: »Ich bin und bleibe Hells Angel.« Es wird früher oder später gewiss wieder ein Hannoveraner Charter geben, doch ein Frank Hanebuth wird dort weder als offizielles Mitglied, geschweige denn als Präsident eingetragen sein. Die anfechtbare Rechtsform eines Charters als Verein wird er sich bestimmt nicht noch einmal antun.
    Die Selbstauflösungen von Hells-Angels- und Bandidos-Dependancen im Jahr 2012 sind keine Erfolge der Behörden. Die gelungene Rettung der bedeutendsten Charter und Chapter ist eine demütigende Niederlage und eine schallende Ohrfeige für
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