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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod
Autoren: Tracy Bilen
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Nein.
    »Geh, Sara! Stell fest, ob sie Hilfe braucht. Wir treffen uns hinter der Hütte.«
    Ich nicke und laufe los. Bitte, Gott, lass meine Mutter wohlauf sein!
    Auf der Veranda angelangt, reiße ich die Tür auf und habe dabei meinen Herzschlag wie ein Trommeln in den Ohren.
    Der Boden ist rot. Ich sehe Blut.
    Wie bei Matt. Blut. Sterben und Tod.
    »Mom!«
    Sie liegt zusammengekauert auf dem Boden, mit geschlossenen Augen.
    Nein! Es darf nicht so ausgehen. Wir hätten beide von hier entkommen müssen. Es darf nicht so enden.
    Meine Knie zittern so stark, dass sie vermutlich nachgeben und ich zusammenbreche.
    Ein leises Stöhnen.
    Mom lebt.
    Mit einem Satz bin ich bei ihr. Sie hält sich das rechte Bein an beiden Seiten, dicht über den Fußknöcheln. Blut quillt zwischen ihren Fingern hervor.
    »Ich bin’s, Mom.«
    »Er hat mich losgebunden. Ich habe … versucht … zu … fliehen.«
    »Pscht«, sage ich sanft. »Sprich nicht!«
    Denk nach! Was steht in meinem Buch Was alles passieren kann über Schusswunden? Ich strecke die Hand nach dem Geschirrtuch am Backofen aus. Nein. Such was Sauberes. Ich zerre die Schublade auf, in der die frischen Tücher liegen.
    »Hier, nimm das!«, sage ich und schiebe die Tücher vorsichtig zwischen Moms Finger und die Wunden auf beiden Seiten. Eintritt. Austritt. »Drück fest auf die Wunden!«
    »Lauf … nicht … weg … hat er … gesagt.«
    »Es ist alles in Ordnung, Mom. Es wird alles gut.« Ich stecke voller Angst und Entsetzen, aber ich weiß auch, dass ich meine Mutter beruhigen muss. Ich habe sie schon einmal verloren. Ich will sie nicht erneut verlieren. »Bleib bei mir, Mom!«
    Ich brauche etwas, um die Tücher auf den Wunden zu befestigen, falls meine Mutter das Bewusstsein verliert. Einen Strick? Klebeband.
    »Ich hole schnell was aus der Küche und bin gleich zurück.«
    Matt, hilf mir! Hilf mir, Mom zu retten!
    Ich murmle beruhigende Worte, während ich Klebeband um die Tücher wickle, damit sie nicht von den Wunden rutschen.
    Hochlegen. Du musst das Bein hochlegen, Sara.
    Ich schnappe mir ein Kissen von der Couch und lege es unter Moms Bein. Dann streichle ich ihr Gesicht. »Du kommst wieder in Ordnung, Mom. Es wird alles gut.«
    Peng! Ein Schuss, draußen. Nein. Nein. Nein. Wen hat es jetzt erwischt? Ich muss Alex helfen, aber wie kann ich meine Mutter allein lassen?
    »Geh!«, murmelt sie. »Geh!«
    Ich nehme mein letztes bisschen Mut zusammen und wanke aus der Hütte.
    Ich brauche eine Waffe. Eine Möglichkeit, meinen Vater aufzuhalten. Ich sehe mich nach einem Werkzeug um, nach einem Ast, nach irgendetwas. Soll ich in die Hütte zurückkehren und ein Messer holen? Und wenn ich eins hätte … Brächte ich es fertig, Gebrauch davon zu machen?
    Die Truhe.
    Ich springe die Treppe zur Hütte hinunter, laufe zur Truhe und reiße den Deckel hoch. Wasserspielzeug fliegt auf den Rasen, bis ich etwas Geeignetes finde: ein Kanupaddel.
    Damit schleiche ich um die Ecke. Einige Schritte entfernt am Flussufer liegt Alex auf dem Boden. Mein Vater tritt ihn, immer wieder. Ich möchte schreien, ihn auffordern, damit aufzuhören, aber er darf mich nicht bemerken, ich muss ihn überraschen.
    Wo ist Zach? Und wo ist die Pistole? Sie muss in der Nähe sein, aber ich entdecke sie nirgends.
    Ich hole mit dem Paddel aus und ziele auf Dad, aber vielleicht schlage ich nur mit halber Kraft zu, denn etwas in mir möchte ihn nicht verletzen, selbst nachdem er uns so viel angetan hat. Er geht zu Boden, aber nur für eine Sekunde. Sofort steht er wieder auf und wendet sich zu mir um.
    Ich hole wieder aus, aber Dad hält das Paddel fest und zieht es mir aus der Hand. Er dreht es zur Seite und hebt es über den Kopf.
    Ich bin vor Entsetzen starr und bewege mich in letzter Sekunde. Das Paddel zerschmettert mir nicht den Schädel, sondern trifft meine Schulter. Ich schreie, falle und krümme mich vor Schmerz.
    Dad tritt mir in die Rippen und hebt abermals das Paddel. Ich rolle mich zur Seite, und im gleichen Augenblick erreicht Alex, der von hinten herangekrochen kommt, meinen Vater und bringt ihn neben mir zu Fall. Wo zum Teufel steckt Zach?
    »Waffe … dort … drüben«, ächzt Alex.
    Ich wanke in die angegebene Richtung, aber Dad hält mich an den Hosenbeinen fest. Ich stolpere, doch es gelingt mir, mich seinem Griff zu entwinden. Dort liegt die Pistole, unmittelbar vor mir, scheint mich aufzufordern, sie an mich zu nehmen. Ich möchte sie ergreifen und weglaufen, aber Alex braucht mich.
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