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Wie der Vater so der Tod

Wie der Vater so der Tod

Titel: Wie der Vater so der Tod
Autoren: Tracy Bilen
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zu. Wenige Sekunden später sitze ich am Steuer, lege den ersten Gang ein, fahre zur Hütte und halte vor der Tür. Voller Sorge stürze ich die Treppe hoch.
    »Mom?«
    Sie antwortet nicht, aber ihre Lider zucken. Alex hebt sie hoch, wie er es kurz zuvor mit Zach getan hat.
    »Ich bleibe hinten bei den beiden«, sage ich. »Weißt du, wie wir von hier wegkommen?«
    »Das finden wir gleich heraus«, antwortet Alex.
    Diesmal bin ich froh, dass er schnell fährt.
    Im Wartezimmer des Krankenhauses schlingt Alex die Arme um mich und scheint mich nie wieder loslassen zu wollen.
    Eine Krankenschwester fragt, ob sie irgendetwas für uns tun kann. Wir erzählen ihr von Dad.
    Wir geben ihr auch Namen und Telefonnummern, die sie anrufen soll. Als Erste treffen Zachs Eltern ein. Ich fürchte, dass sie mich hassen. Stattdessen umarmen sie mich und sagen, wie sehr sie es bedauern, nichts gewusst zu haben.
    Zachs Mutter hält meine linke Hand und Alex meine rechte. Und so warten wir.
    Alex’ Eltern sind ebenfalls da. Ich mag sie. Sie sehen aus wie ein Paar, das an der Highschool die kleinen Finger ineinander gehakt hat und sich immer noch liebt. Ob Alex und ich eines Tages vielleicht ebenso aussehen?
    Dann kommt Jay herein, und wir fallen uns in die Arme und weinen. »Ich bin so froh, dass er sich für dich entschieden hat.«
    Er erstarrt für einen Moment, doch dann hält er mich noch fester. »Danke«, sagt er. »Ich auch.«
    Lauren besorgt mir Ritz Bits vom Automaten. Ich kriege sie nicht runter, aber sie meint, ich könne sie später essen.
    In diesem Raum spüre ich von allen Seiten Liebe. Es ist so anders als mit Dad.
    Als Stunden später die Ärzte kommen, versuche ich ihre Gesichter zu deuten. Aber ich kann nicht. Der Geruch von Desinfektionsmitteln hängt schwer in der Luft und vermischt sich mit meiner Angst.
    »Sie …« Der Raum dreht sich, und ich drücke Alex’ Hand.
    »… werden es schaffen.«
    Am nächsten Tag sehen Mom und ich uns im Krankenzimmer The Winds of Change an. Julia findet endlich die Wahrheit über Ramón heraus. Mom sagt, dass sie sich die Serie nicht mehr ansehen wird. Es gefällt ihr, dass Julia und ihr wahrer Ehemann wieder glücklich und zusammen sind. So möchte sie es in Erinnerung behalten. Ich stimme ihr zu.
    Ich sitze neben ihr und halte ihre Hand, ganz fest, obwohl ich weiß, dass sie nicht weggehen wird. Sie ist dünn, viel zu dünn. In der Hütte ist mir das nicht aufgefallen, aber jetzt sehe ich es ganz deutlich. Neben ihr tropft geduldig der Infusionsbeutel, und ich fordere sie auf, einen Bissen von dem Truthahnsandwich zu nehmen, das ich von ihrem Mittagessen zurückbehalten habe.
    Sie zupft am Ärmel des Krankenhaushemds und versucht, einen blauen Fleck zu verstecken. »Du kehrst doch nicht allein nach Hause zurück, oder?«, fragt Mom und sieht mich besorgt an.
    »Nein. Ich komme bei Jay und Lauren unter«, erwidere ich. »Bis Oma und Opa da sind.«
    Sie nickt, lächelt und schließt die Augen.
    In jener Nacht habe ich wieder einen Haferbreitraum.
    Aber diesmal ertrinke nicht ich, sondern mein Vater. Und ich kann ihn nicht retten.
    Ich erwache mit Tränen auf dem Kopfkissen.
    Die Polizisten sind alle das genaue Gegenteil von Jack Reynolds. Es wird keinerlei Anklage erhoben , sagen sie.
    Keine Sorge , hätte ich fast erwidert. Mein Herz sitzt in seinem eigenen Gefängnis.
    Ein Vater sollte nie seinen Sohn zu Grabe tragen müssen.
    Und eine Tochter sollte nie tun müssen, was ich getan habe.
    Jedes Mal, wenn ich etwas anfasse, erinnere ich mich an die Beschaffenheit der Pistole.
    Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, erinnere ich mich daran, wie ich abgedrückt habe.
    Jedes Mal, wenn ich sie öffne, sehe ich dich dort liegen, Dad.
    Ich werde es nie vergessen.
    Und mein dummes, dummes Herz wird nie aufhören, dich zu lieben.
    Ich betrete Zachs Zimmer. Lauren ist da. Schon wieder. Ich sehe ein Funkeln in Zachs Auen. So wie es in Alex’ Augen funkelt, wenn er mich ansieht. Ich lache, als bei mir endlich der Groschen fällt.
    »Was ist? Was findest du so komisch?«, fragt Lauren.
    »Oh, nichts«, sage ich unschuldig und wende mich an Zach. »Wann wirst du entlassen?«
    »Heute Nachmittag«, sagen Zach und Lauren wie aus einem Mund.
    Beide erröten.
    »Und deine Mom?«, fragt Zach.
    »Sie unterschreibt gerade die Papiere.«
    Ich verabschiede mich und gehe durch den Flur zum Zimmer meiner Mutter. Die Krankenschwester hilft mir, Mom in einen Rollstuhl zu setzen. Ich reiche ihr zwei
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