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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Autoren: Emmy Abrahamson
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– eine schöne exotische Kartenlegerin, die weiß der Himmel was durch einen Fleischwolf kurbelt.
    »Wie konnte ich was ?«
    »Wie konntest du Tante Jadwiga sagen, dass ich Pickel habe?«
    Sie kurbelt weiter.
    »Aber du hast Pickel«, sagt sie. »Ich musste ihr gar nichts sagen. Sie hat es auf den Fotos gesehen, die ich ihr geschickt habe.«
    Ich stehe da, mein Herz klopft bis zum Hals, und ich weiß nicht, ob ich sagen soll, was ich jetzt am liebsten sagen würde: Dass sie endlich verstehen soll, dass es Dinge gibt, über die ich nicht so gut reden kann. Und dass a) meine Haut, b) mein ein bisschen kleiner Busen, c) meine großen Füße und d) tausend Millionen andere private Dinge nicht mit der kompletten Verwandtschaft durchgekaut zu werden brauchen!
    »Sie sagt, ich soll mir das Gesicht mit Urin waschen!«
    Vorne aus dem Fleischwolf kriechen rosa-weiße Würmer.
    »Mama, bitte : Du musst nicht alles mit deinen Schwestern bereden«, fahre ich fort.
    Und Mutter sagt den Satz, den ich hasse wie keinen anderen, den Satz, gegen den es kein Mittel gibt, den finalen Satz, bei dem ich weiß, dass die Schlacht verloren ist.
    »Nie krępuj się.«
    Nie krępuj się. Leider gibt es dafür keine richtig gute Übersetzung, aber es heißt so viel wie Das muss dir doch nicht peinlich sein oder Meine Güte, stell dich doch nicht so an . Nach diesem Satz ist jede Gegenwehr sinnlos. Wenn ich protestiere und sage, dass es mir unangenehm ist, wenn über meine Pickel geredet wird, bin ich typisch schwedisch verklemmt. Und wenn ich nicht protestiere , gebe ich zu, dass ich schreckliche Pickel habe, und erkläre mich außerdem stillschweigend damit einverstanden, dass sie selbstverständlich mit der gesamten polnischen Nation besprochen und zweimal täglich mit Urin gewaschen werden müssen. Nie krępuj się.
    Mir werden die Schultern schwer, weil mir wieder einmal klar wird, dass nichts, was ich sage, meine Mutter jemals dazu bewegen wird, auch nur ein bisschen weniger … anders zu sein. Während ich auf die rosa-weißen Fleischwolfwürmer starre, fällt mir ein, dass Tante Jadwiga davon sprach, dass sie von meinem Problem gehört hätte. Was ja hieße, dass sie es nicht nur auf den Fotos gesehen … Nein, es hat keinen Sinn.
    »Was wird das?«, frage ich kraftlos.
    »Hamburger. Die magst du doch so gern«, sagt Mutter und lächelt mich an.
    Ihr warmes Lächeln und dass sie es ja gut meint, machen es mir schon wieder unmöglich zu sagen, was ich am liebstensagen würde: »Stimmt, ich mag Hamburger gern, aber nicht , wenn du sie machst.« Ich weiß, dass die Fleischbrocken von ganz hinten aus der Tiefkühltruhe stammen, aus einer Packung, deren Etikett mit dem Verfallsdatum längst nicht mehr zu entziffern ist. Die Hamburger werden zu dick und knödelig werden, mit einem ungebratenen rosa Kern in der Mitte, sie werden vor Öl triefen und mit groben Tomatenscheiben ohne Geschmack und schlaffem Eisbergsalat zwischen zwei Scheiben labberigem Weißbrot serviert werden. Die Thousand-Island-Sauce von McDonald’s wird sie aus Ketchup und Dickmilch mischen, das Bratöl und die hausgemachte Sauce werden das labberige Brot durchweichen, dass es einem durch die Finger glitscht, bis man nur noch einen triefenden Fleischklops in den Händen hält, von dem fieser Saft die Arme hinunter- und in die Ärmel läuft.
    »Mmm«, sage ich und hoffe, dass es nett klingt.
    »Komm nach der Schule zur Polizei, dann können wir zusammen nach Hause fahren!«, ruft Mutter mir nach, bevor ich mich zwischen den Umzugskisten im Flur durchschlängle, um meine Schultasche zu holen.
    # 235 Akzeptiere, dass man alles, was es lecker und günstig im Restaurant gibt, genauso gut selbst zubereiten kann, sofern man nur ein paar Dinge im Haus hat, mit denen sich das Original simulieren lässt, zum Beispiel zwei Fässer Bratöl und einen alten Fleischwolf.

2
    Die Junisonne fühlt sich angenehm warm an. Die Bäume und Rasenflächen des Sportgeländes zeigen das taufrische Grün, das sie nur am Anfang des Sommers besitzen. Die Jungs spielen Baseball, eine gute Gelegenheit, sie sich genauer anzuschauen, ohne dass sie uns gleich blöd kommen können.
    »Da, da, da!«, sagt Natalie.
    Ihre Aufmerksamkeit gilt ausschließlich Ola Olsson vom Landwirtschaftszweig. Ich schaue auf und sehe ihn laufen, als wären sie mit dem Güllewagen hinter ihm her. Er ist ohne Zweifel der bestaussehende Junge der ganzen Schule, aber mir ist er zu makellos. Mit seinen blonden Haaren und blauen
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