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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Autoren: Emmy Abrahamson
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Sie den Ausdruck, Pani Beata –, an der Zeit zu tanzen«, sagt Pan Bogusław. »Das hier ist eine polnische Hochzeit, sage ich, oder etwa nicht?«
    Wir brauchen nicht lange, bis wir den alten Kassettenrekorder herangeschafft haben, der auch mit Batterien funktioniert. Ein paar Kassetten mit polnischer Musik finden sich auch.
    »Meine liebe Frau, darf ich um den ersten Tanz bitten?«, fordert Evert seine Sylwia auf.
    Nachdem das Brautpaar den ersten Tanz allein getanzt hat, wird schnellere Musik gesucht, und alle dürfen auf die Tanzfläche.
    »Meine lieben Freundinnen meiner kleinen Schwester, darf ich bitten?«, fragt Rafał und fordert Natalie und Marie gleichzeitig auf.
    Kurz darauf höre ich meine beiden Freundinnen vor Begeisterung schreien. Rafał hat einen Tanz erfunden, bei dem er sie abwechselnd in die Luft wirft wie Pizzateig.
    »Pani Beato, czy Pani pozwoli?« , fragt Pan Bogusław und streckt Mutter die Hand entgegen.
    Mutter ergreift sie lachend, und es beginnt ein wilder Tanzums Feuer. Bei einem besonders gewagten Sprung platzt Vaters Hose vom Schritt bis hoch zum Gürtel, aber Pan Bogusław tanzt auch mit weithin sichtbarer heller Unterhose fröhlich weiter.
    Dann steht wie aus dem Nichts mein Bruder Rafał vor mir.
    »Hast du gedacht, du kannst kneifen?«, fragt er und wirft mich, bevor ich auch nur protestieren kann, über die Schulter.
    Es wird getanzt, bis die Füße wehtun und der Schweiß in Strömen rinnt. Schuhe werden von den Füßen getreten, Jacken über Stuhllehnen gehängt, und jeder tanzt mit jedem. Irgendwann laufe ich nach oben in mein Zimmer und hole meine Gyllene-Tider -Kassette. Du machst mich wild heißt der Song, zu dem Natalie, Marie und ich tanzen wollen. Wir legen einander die Arme um die Schultern und schreien ihn heraus:
    »Komm, halt mich fest, komm, tanz mit mir!
    Komm, gib mir, gib mir, gib mir mehr!
    Du machst mich wild, machst mich so wild,
    Du machst mich wild, machst mich so wild!«
    Selbst Gun-Britt ist nicht mehr ganz nüchtern und wagt ein Tänzchen mit Pan Bogusław, der sie im Kreis herumwirbelt, bis sie sich nicht auf den Beinen halten kann. Gun-Britt sitzt auf der Erde und hat einen Lachanfall, Gläser klirren, und Rafał stößt einen Juchzer aus. Über uns leuchten Millionen kleiner Sterne bei ihrem eigenen Himmelstanz.
    Stunden danach ist es ruhiger geworden. Gun-Britt und Bertil sind schon vor einer ganzen Weile auf ihren Stühlen sitzend eingeschlafen, und niemand stört sich daran, wo sie sind. Jadwiga und die gar nicht mehr stille Marie sitzen beieinander und scheinen tief versunken in eine Diskussion, die sie in einem Mischmasch unterschiedlichster Sprachen führen.
    »Weg da! Weg!«, protestiert Klaus-Günter gegen ein paar Insekten, die er mit der Serviette vom Tisch zu verjagen versucht.
    Neben ihm sitzt Celestyna, stützt den Kopf in beide Hände und klappt ein ums andere Mal die müden Augenlider zu.
    Pan Bogusław sitzt bei Göte und füllt unablässig ihre beiden Wodkagläser.
    »Wir sind wie Brüder«, sagt er weinerlich und küsst, nachdem sie ihre Gläser geleert haben, Göte dreimal auf die Wangen.
    Göte nickt und wischt sich seinerseits ein paar Tränen ab.
    »Alle anderen Nationen trinken, um fröhlich zu werden«, sagt Mutter mit Blick auf die beiden. »Nur die Polen trinken, um traurig zu werden.«
    Pan Maciej sitzt allein und schaut wehmütig in sein leeres Wodkaglas. Ich höre, dass er Góralu czy ci nie żal summt, ein Lied, das vom Heimweh nach Polen handelt.
    »Hast du gesehen, wer auch hier ist?«, frage ich Mutter.
    Sie schaut in die Richtung, in die ich zeige, und muss lachen.
    Neben den schlafenden Gun-Britt und Bertil sitzt der Trinker Sixten. Er hat ein Wasserglas voll Wodka vor sich und kaut an einem mit Gras gewürzten Stück Kotelett.
    »Lass ihn!«, sagt Mutter. »Er wird bestimmt nicht oft zu Festen eingeladen. Aber such vielleicht deinen Bruder, wir brauchen mehr Feuerholz. Es ist gleich Zeit für Kaffee.«
    Ich gehe ins Haus, und als ich Rafał dort nicht finden kann, versuche ich es im Garten.
    »Rafał! Rafał!«, rufe ich. Dann bleibe ich stehen und genieße die laue Nacht.
    Die Frösche legen sich ins Zeug, und ich kann hören, dass sie im Rhythmus quaken. Fledermäuse flattern so schnell über mich hinweg, dass ich sie nur schemenhaft erkennen kann. Sie bleiben haarscharf außerhalb der Reichweite des Kerzenlichts und des ausgehenden Feuers.
    »Rafał! Ra…«
    Dann sehe ich sie: Zwischen der Birke und einer Gruppe
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