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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Autoren: Emmy Abrahamson
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Busfahrer!«, schreie ich und werfe das erste Kotelett so heftig in Richtung der Birke, dass die knusprige Panade sich schon in der Luft von ihm löst. Endlichweiß ich, warum ich AUFHÖREN auf den Zettel geschrieben habe: Ich werde AUFHÖREN, alles einfach nur zu akzeptieren. Ich werde gar nichts mehr akzeptieren. Niemals.
    Die hysterische Gun-Britt ist beim Versuch aufzustehen gestürzt und hat sich in der Tischdecke ihres Tisches verheddert, was ihr Sirenengeheul noch einmal anschwellen lässt. Als Bertil ihr helfen will, kommt er selbst zu Fall und greift nach der letzten Tischdecke des letzten noch stehenden Tisches der Hochzeitstafel. Mit einem Krachen zerschellt das Porzellan darauf.
    »Hirnverbrannte Kinder- und Jugendpsychologen!«, schreie ich, und das nächste Kotelett fliegt durch die Luft.
    Die Lichterkette ist an so vielen Stellen geschmolzen, dass sie komplett herunterfällt.
    »Mickrige Papstbäumchen!« Das dritte Kotelett tritt seine luftige Reise an.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Pan Maciej in die Garage rennt und Rafał sich mit ausgebreiteten Armen vor dem Bartisch aufbaut, damit ihn niemand über den Haufen rennen kann.
    »Vergammeltes altes Essen!« Das nächste Kotelett werfe ich mit solcher Wucht, dass es über die Hecke fliegt und auf dem Nachbargrundstück landet.
    Jadwiga versucht vergebens, den ohnmächtig gewordenen Klaus-Günter zu wecken.
    »Geschmuggelter Wodka!«
    Diesmal fliegen zwei Koteletts gleichzeitig, und ich sehe wie eines davon um Haaresbreite Pan Maciej verfehlt, als er mit einem Stapel Woll- und Bettdecken aus der Garage kommt. Dann versucht jemand vergeblich, mich zu packen.
    »Illegale Hand-wer-ker!« Vollkommen in Rage bemerke ich, dass alle Koteletts aufgebraucht sind, also nehme ich die Platte und schmeiße sie gegen die arme Birke.
    Zum zweiten Mal versucht mich jemand zu packen, und diesmal will ich sehen, wer es ist, und drehe mich um.
    »Was machst du da?«, übertönt Mutter das Inferno ringsum.
    Ich zeige mit dem von Kotelettfett verschmierten Finger auf sie.
    »DU! DU bist an allem schuld!«
    »Alicja, was hast du?«
    »Er wollte gar kein Kotelett. Du hast GELOGEN!«
    Pan Maciej hat die Woll- und Bettdecken über die Lichterkette geworfen, und ein paar andere helfen ihm, die Flammen zu ersticken.
    »Das weiß ich doch«, sagt Mutter. »Aber wie hätte ich euch sonst wieder zusammenbringen sollen?«
    Der Orkan in meinem Kopf wütet immer noch so stark, dass ich kaum aufnehmen kann, was Mutter sagt.
    »Und Natalie? Warum musstest du von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet Natalie um Hilfe beim Servieren bitten?« Meine Stimme überschlägt sich fast.
    »Aber Alicja, eigentlich haben wir doch gar keine Hilfe beim Servieren gebraucht«, sagt Mutter. »Ihr solltet nur die Chance haben, wieder Freundinnen zu werden, bevor die Schule anfängt.«
    Ich kann immer noch nicht wirklich aufnehmen, was Mutter sagt.
    »Und … und … es waren FRÖHLICHE STRICHMÄNNCHEN!«, schreie ich und sehe selbst ein, dass ich den Orkanin mir besänftigen muss, wenn ich nicht in der Zwangsjacke abgeführt werden will.
    »Fröhliche … was? «
    Das Feuer ist endlich unter Kontrolle, und niemand springt mehr in Panik herum. Rafał und Pan Maciej ersticken die letzten Feuerfunken im Gras.
    »Ich will nicht grenzlabil sein«, sage ich und spüre, wie mich eine unendliche Müdigkeit überkommt. Eine Müdigkeit, die so mächtig ist, dass ich kaum noch aufrecht stehen kann. »Ich mag nicht mehr … Ich möchte ein langweiliges Leben haben … als Vollschwede … ein Leben, in dem nichts passiert … mit richtigem Geschenkpapier … und … und …«
    Mit der Müdigkeit kommen auch die Tränen, die ich aus großer Tiefe in mir aufsteigen spüre. Mutter kommt jetzt einen Schritt näher.
    »… und ich will wirklich Polizistin werden!«, bekomme ich noch heraus, bevor die Tränen es geschafft haben und ich mich in einen schluchzenden, wackligen Klumpen Teig verwandle.
    Mutter nimmt mich in die Arme und hält mich ganz fest, während sie mir übers Haar streicht.
    »Natürlich kannst du Polizistin werden, wenn du möchtest«, sagt sie. »Meine Kinder dürfen werden, was sie wollen.«
    Sie hält mich weiter fest, während ich hemmungslos in ihr schönes Kleid weine. Es riecht nach Wärme, Sicherheit und ein kleines bisschen nach verbranntem Essen.

24
    Nach Pan Bogusławs sogar für ihn selbst überraschendem Feuerwerk wird es das beste Fest aller Zeiten.
    »Was ist passiert?« , fragt
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