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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Autoren: Emmy Abrahamson
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würde, habe ich mich darauf gefreut, sie so oft wie möglich zu besuchen. Ich hatte angenommen, dass die Kioskverkäuferin und damit auch ihre besten Freundinnen alles umsonst essen dürften. Die Wahrheit ist grausam, aber wenigstens stopfe ich mir schnell ein Marshmallow in den Mund.
    »Kannst du kurz aufpassen? Ich muss auf die Toilette«, ruft Marie aus dem hinteren Raum.
    Ich schlucke das Marshmallow schnell hinunter, obwohl ich es noch nicht zu Ende gekaut habe.
    »Klar«, sage ich.
    Das erste Mal in einem Kiosk zu stehen und nicht davor in der Schlange fühlt sich spannend und verboten zugleich an. Es ist ein bisschen, als säße man im Lehrerzimmer und merkte plötzlich, dass die Lehrer trotz allem auch Menschen sind. Ich hebe eine zusammengeknüllte Serviette vom Boden auf und werfe sie in den Mülleimer, rücke den Korb mit Obst zurecht und stelle die Schachteln mit Shake -Kaugummi ordentlich nebeneinander. Gleichzeitig hoffe ich, dass niemand etwas kaufen will, bevor Marie zurück ist. Zum Glück ist das Wetter so schlecht, dass nur wenige Menschen an den Strand kommen, und die vier Tische vor dem Kiosk sind leer. Ich wische ein paar unsichtbare Brotkrümel vom Schneidebrett für die Hamburgerbrötchen und denke darüber nach, ob ich vielleicht Kioskverkäuferin werden sollte, wenn es mit der Polizeikarriere nicht klappt.
    »Ein Magnum, bitte!«
    Eine pummelige blonde Frau mit dauergewelltem Haar steht vor dem Kioskfenster. Da Marie noch nicht zurück ist, habe ich keine andere Wahl, als zur Tiefkühltruhe zu gehen, um das Eis für die Frau zu holen. Ich weiß nur nicht, mit welchem Knopf man die Kasse öffnet, also murmle ich irgendetwas von einem technischen Defekt und hole meine Brieftasche heraus, um der Frau ihr Wechselgeld zu geben. Genau in dem Moment, als ich das Geld über den Tresenreiche, taucht noch eine Person vor dem Kiosk auf. Der werde ich auf keinen Fall was verkaufen.
    »Solche wie dich bedienen wir hier nicht«, sage ich.
    »Was? Warum nicht?«
    Die dauergewellte blonde Frau schaut von mir zu der neuen Kundin und nimmt schnell ihr Eis.
    »Prostitution ist hier verboten. Und auf unserer Toilette sowieso!«, sage ich.
    »Du hast’s nötig, Neonazischlampe!«
    »Wenn du deinen Körper verkaufen willst, tu’s woanders!«, sage ich.
    Die Frau mit dem Magnum eilt zu einem Mann, der beim Infoschild wartet. Natalie und ich haben unser kleines Publikum viel zu schnell verloren.
    »Wir dachten, du kommst früher«, sage ich.
    »Hallo, Natalie!«, sagt Marie, die wieder aufgetaucht ist.
    »Ihr glaubt nicht, was gerade passiert ist«, sagt Natalie mit einem Gesicht wie ein Smiley.
    Genau da kommt eine Familie mit einem halben Dutzend flachsblonder Kleinkinder, und während Marie geduldig auf ihre sich ständig ändernden Bestellungen wartet (»Jetzt entscheid dich doch endlich: Schokolade oder Erdbeer?!«), setzen Natalie und ich uns an einen der Tische.
    » Was ist passiert?«
    »Da war gerade …« Natalie macht eine Kunstpause. »OLA!«
    Ich seufze leise, weil wir gleich wieder Natalies ewiges Lieblingsthema durchkauen werden, aber ich versuche, dabei zu lächeln.
    »Und was ist passiert ?«
    »Wir haben wahnsinnig lang miteinander gequatscht! Bestimmt eine ganze Minute, bevor er gesagt hat, dass er weitermuss.«
    Und jetzt müssen wir natürlich alles haarklein durchgehen, alles, was Ola Olsson während ihrer zufälligen Begegnung in der Fußgängerzone von Ystad gesagt und getan hat, als könnten hinter jedem Wort und jeder Geste unfassbare Geheimnisse verborgen liegen.
    Nachdem alle Mitglieder der Großfamilie ihr richtiges Eis bekommen haben, brät Marie einem älteren Paar Würstchen. Ich muss weiter allein als Natalies Ola-Olsson-Torwand herhalten.
    »Was glaubst du, was er gemeint hat?«
    »Womit?«, frage ich.
    »Mit ›Schönen Sommer!‹. Das war das Letzte, was er gesagt hat.«
    Als Kennerin der Spielregeln für Gespräche mit besten Freundinnen beiße ich mir in die Wange, um Natalie nicht die auf der Hand liegende Antwort zu geben.
    »Wenn du ihn das nächste Mal siehst, solltest du ihn vielleicht fragen, ob ihr euch nicht mal treffen könnt. Oder ruf ihn einfach an!«
    »Meinst du? Ich weiß nicht«, sagt Natalie erfreut und hoffnungsvoll. »Ich seh’s auf jeden Fall so, dass er sich Gedanken darüber macht, was ich für einen Sommer habe. Oder nicht? Er möchte, dass ich einen SCHÖNEN Sommer habe. Das heißt doch …«
    Als ich durch den Kiefernwald vom Strand nach Hause radle,
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