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Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt

Titel: Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
Autoren: Emmy Abrahamson
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keine Hunde.«
    Mutter tätigt Anruf Nummer fünf.
    »Und nicht bei irgendeinem Greis«, sagt Sylwia. »Ich mag keine Greise.«
    Sie drückt ihre Zigarette aus und zündet sich sofort eine neue an.
    »Ja, hallo. Ich rufe wegen der Anzeige im Y stads Allehanda an«, sagt Mutter ins Telefon. »Ich wollte fragen, ob Sie immer noch jemanden suchen?«
    Sylwia fixiert Mutter und das Telefon.
    »Ah ja? Schade. Trotzdem vielen Dank.« Mutter legt den Hörer auf und schüttelt den Kopf.
    Sylwia zupft Fussel von ihren Leopardenleggins. Celestyna ist im Übergangswohnheim auf dem Dachboden verschwunden. Mein Walkman und mehrere meiner Kassetten sind inzwischen ebenfalls dort verschwunden, aber noch versuche ich mir einzureden, dass Sylwia und Celestyna bemitleidenswerte unbehauste Flüchtlinge sind, und verliere kein Wort darüber.
    Dann entdeckt Sylwia etwas in der Zeitung, die vor ihr auf dem Tisch liegt.
    »Was steht da?«, fragt sie erregt.
    Ich drehe die Zeitung in meine Richtung und sehe ein Bild von Papst Johannes Paul II. Auf dem Bild küsst der Papst ein kleines Kind, das unbeeindruckt auf dem Schoß seines Vaters weiterschläft.
    »Es geht darum, dass der Papst in Norwegen ist. Er macht gerade eine Tournee durch den Norden«, sage ich, unsicher, ob man bei Päpsten wirklich so sagen kann.
    »Kommt er auch hierher ?«, fragt Sylwia. Ihre Augen beginnen jetzt, beunruhigend weit aus den Höhlen zu treten.
    Ich bin versucht zu sagen, dass er auf dem Mittsommerfest in Glemmingebro auftreten soll, gleich nach dem Sackhüpfen auf dem großen Platz vorm Fischteich. Aber ich sage es nicht. Stattdessen lese ich den Artikel weiter.
    »Ja, er fährt erst nach Dänemark, dann kommt er auch nach Schweden.«
    Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft bekommt Sylwias Gesicht etwas Weiches und fast Schönes. Sie vergisst sogar ihre Zigarette, deren Asche neben den Unterteller fällt, den ich ihr als Aschenbecher hingeschoben habe.
    » Wann ? Wann kommt er nach Schweden?«
    Ich lese weiter.
    »Nächste Woche ist er in Uppsala und danach in Vadstena.«
    Ich sehe Mutter an und kann in ihren Augen lesen, was sie als Nächstes sagen wird. Es ist, als würde man einem Autounfall in Zeitlupe zuschauen. Ich schüttle den Kopf, aber es ist zu spät. Mutter möchte Sylwia ein paar Tage loswerden, damit sie ungestört für sie auf Jobsuche gehen kann.
    # 238 Akzeptiere klaglos, dass du deine kettenrauchende polnische Verwandte und ihre übel gelaunte Miss-Piggy-Tochter auf ihrer Pilgerfahrt zum höchsten Vertreter der katholischen Kirche alias Gottes Sprachrohr auf Erden begleiten wirst.

6
    Über fünf Stunden sitze ich jetzt schon hinten in unserem Volvo und höre mir den Streit zwischen Sylwia und Celestyna an. Hinter Jönköping war ich kurz davor, die Tür aufzumachen und mich aus dem fahrenden Auto in den Vättern zu stürzen. Derselbe Streit, wieder und wieder:
    »Ich bin hungrig«, sagt Celestyna zum hundertsten Mal.
    »Du bist zu dick«, sagt Sylwia.
    »Aber ich hab soooooo Hunger.«
    »Dann hättest du zum Frühstück was anderes essen sollen als nur Schokolade.«
    »Aber ich hab Hunger, dass mir der Bauch wehtut!«
    »Du bist trotzdem zu dick.«
    Schon wenn die Polen normal reden, klingt es, als würden sie sich entweder streiten oder sich über etwas beklagen, aber ein richtiger polnischer Familienstreit ist eine Qual. Jedenfalls für meine Ohren.
    Dazu kommt Sylwias Fahrstil. Man denkt, mit ihren unglaublichen Glupschaugen müsste sie ein Gesichtsfeld wie ein Raubvogel haben, aber in Wirklichkeit fährt sie blinder als ein Maulwurf. Wir sind schon so oft angehupt worden, dass Sylwia glaubt, es handle sich um eine Art speziellen schwedischen Gruß, und fröhlich zurückhupt.
    Ich für mein Teil habe mich so weit nach unten verkrochen,dass von draußen eher meine Knie zu sehen sind als mein Kopf. Die Luft knapp über dem Sitz ist außerdem besser als der Zigarettennebel weiter oben. Ich sage mir zum hundertsten Mal, dass wir ja nur einen kurzen Trip nach Vadstena machen, um, zwischen ein paar Dutzend anderen Fanatikern eingeklemmt, aus weiter Ferne einen alten Mann in Weiß zu sehen. Gleich danach werden wir uns wieder ins Auto setzen und nach Hause fahren. Mutter hat zwar vorgeschlagen, dass wir ein paar Tage dort zelten könnten, aber ich bin mir sicher, dass ich Sylwia und Celestyna dazu überreden kann, lieber gleich nach Skåne zurückzufahren. Den Papst, um den es ging, hätten sie dann ja gesehen.
    Als wir endlich da sind, ist es
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