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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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gereist, um herauszufinden, wie es zu der Krise hatte kommen können. Letzten Endes hatte sie eine ganze Woche in einem Sarg zubringen müssen, eine Erfahrung, die sie noch heute in ihren Träumen verfolgte. Es hatte sie ihre ganze Kraft gekos- tet, sich aus dem Grab freizuwühlen. Erst der Umstand, dass ihre Art- genossen sich während der Krise auf Friedhöfen versteckt hatten, hatte zu der Legende geführt, dass Hüter Untote seien.
    Es hatte eine Weile gedauert, bis ihnen klar geworden war, wie einfa- che transsylvanische Bauern hatten erkennen können, dass sie das Eigentum Anderer waren. Erst die Veröffentlichung von Draculabrachte die Hüter darauf, dass einen altmodische Kleidung in einer Welt verraten konnte, in der sich die Mode innerhalb einer Men- schen-Generation neuerdings mehr als einmal änderte. Die Römer hatten jahrtausendelang dieselben Togas getragen, und im Mittelalter hatte die Mode sich vielleicht zweimal im Jahrhundert geändert. Im neunzehnten Jahrhundert änderte sie sich etwa alle fünfzehn Jahre. Den isoliert in den Karpaten lebenden Hütern war entgangen, dass Menschen aufgehört hatten, gepuderte Perücken und Schnallen- schuhe zu tragen. Bald schon fiel den Bauern auf, dass jedes Mal eine Person verschwand, wenn in den nächtlichen Straßen eine dieser son- derbaren, Perücke tragenden Gestalten gesehen wurde. Sechsund- zwanzig Hüter starben während der Balkankrise, die bei weitem höchste Zahl, die auf einen Schlag von Menschen umgebracht worden war.
    Aber hier in Asien hatte es mehr als sechzig Hüter gegeben. Mehr als sechzig. Was, wenn sie in Gefangenschaft geraten waren und langsam verhungerten oder wie Füchse gejagt wurden? Oder, schlim- mer noch, wenn sie bereits tot waren?
    Sie waren tot. Miriam spürte es. Etwas fehlte in der Luft ... dort wo Musik gewesen war, herrschte nur noch eigenartige Stille.
    Sie schritt ganz ans Ende der übel riechenden Metallröhre voller Sitz- plätze. Der einzige Platz, der auf den meisten Flügen für sie in Frage kam, war einer in der letzten Reihe. Falls die Maschine abstürzen sollte, hatte sie dank ihrer immensen Kraft noch immer die Möglichkeit, ein Loch in den Rumpf zu reißen und kurz vor dem Aufprall hinauszu- springen. Selbst ein Hüter wurde in einem mit 8oo Stundenkilometern

auf die Erde fallenden Düsenjet zu Brei zerdrückt.
    Sie sah, dass die Maschine bis auf den letzten Platz besetzt sein würde. Hunderte von Menschen strömten herein – und ihr Magen knurrte immer lauter. Sie brauchte Nahrung, und zwar bald. Sie musste es in Bangkok tun, trotz der drängenden Lage und des offen- bar gefährlichen Umstands, sich in Asien zu befinden.
    Die Maschine war ein Airbus A-310, ein Flugzeug-Typ, der sie ganz besonders beunruhigte, da er zu einfach zu fliegen war. Piloten neig- ten in diesem Flugzeug zur Sorglosigkeit. Noch bedenklicher war, dass es nur zwei Triebwerke gab. Denn da sie in ihrer Freizeit gerne Tech- nik-Magazine las, wusste sie, dass ein Triebwerk allein die Maschine nicht allzu lange in der Luft halten konnte.
    Die Thais rauchten und plapperten und aßen Trockenfutter für Men- schen: Schweinefleischbrocken, Pilze und grüne Pfefferkörner, alles in essbar wirkenden Plastiktüten verpackt. Einige ihrer menschlichen Ge- fährten hatten versucht, sie für verschiedene Süßigkeiten zu begeis- tern, doch sie hätte nichts davon verdauen können. Sie verfolgte seit Jahrtausenden voller Interesse, wie sich die Nahrung der Menschen veränderte, und musste seit einiger Zeit feststellen, dass die wegen der Bevölkerungsexplosion gestiegene Nachfrage nach Nahrungsmit- teln zu einem deutlichen Qualitätsverlust der einzelnen Produkte ge- führt hatte.
    Herden zu hüten gehörte nicht zu ihren bevorzugten Tätigkeiten, da- her war es ihr einigermaßen gleichgültig, was diese Geschöpfe aßen. Ihre Eltern waren Züchter gewesen und hatten es zu einer Kunstform gemacht, bestimmte Menschen zur Kreuzung zu bewegen, damit Ba- bys mit den gewünschten Charakteristika geboren wurden.
    Ihr Vater und ihre Mutter hatten unter den Ägyptern eine neue Rasse gezüchtet, um einen klügeren Menschen zu erschaffen. Irgendwann war es dabei zur Geburt eines brillanten Kindes namens Ham-abyra gekommen, das in der Geschichte nicht unter seinem ägyptischen Na- men bekannt wurde, sondern unter der hebräischen Inversion, Abyra- ham. Er wurde aus der ägyptischen Herde herausgenommen und fort- geschickt, um in einem anderen Teil Nordafrikas eine
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