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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over
Autoren: Myra Çakan
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irgendwie immer gegenwärtig, fand Wiesel. Es regnete die ganze Zeit, mit alles durchweichender Hartnäckigkeit, und die Vierfinger standen an jeder belebten Straßenecke und machten ihre kleinen Deals.
    Eines Nachts wurde Wiesel Zeuge, wie eine Gruppe Kids die Aliens mit Molotow-Cocktails bewarf. Ehe die paramilitärische Schutztruppe anrücken konnte, waren sie verschwunden. Zurück blieben drei rauchende Panzer auf dem nassen Asphalt. Wiesel wartete nicht ab, was weiter passieren würde. Er hatte im Laufe der vergangenen Monate gelernt, mit der Nacht zu verschmelzen. Die Kids kannten den Trick auch. Als er ihnen zu folgen versuchte, verlor er sie nach drei Straßen aus den Augen.
    Doch man hatte ihn gesehen. Und als er drei Tage später wie schon so viele Male vorher auf dem Platz vor dem Bahnhof rumhing, war es diesmal nicht vergeblich. Denn er traf Sunshine – an der Adresse, die keine war. Aber erst musste er noch die Prüfung bestehen.
    »Warum bist du uns gefolgt?«
    Eine Hand umklammerte unversehens seinen Arm. Er unterdrückte seinen Fluchtinstinkt, denn er ahnte, wer ihn festhielt. Die Hand gehörte zu einem Mädchen, zwölf oder dreizehn Jahre alt. Sie hatte blasse, Sommersprossen-gesprenkelte Haut und ihre rostroten Haare waren zu strammen Rasta-Zöpfen geflochten. Von ihren Ohren baumelten kleine Tennisschläger. Ihr dünner Körper steckte in einem viel zu großen Tarnanzug, die Ärmel und Hosenbeine hatte sie umgekrempelt, an den Füßen trug sie pinkfarbene, an den Seiten eingerissene und notdürftig mit Heftpflaster geflickte Badesandalen. Sie sah schnell und zäh aus, und sie wartete auf eine gute Antwort.
    »Neugierde –« Er zuckte die Achseln. »Passiert hier ja sonst nie was.«
    »Dafür, dass du neu in der Stadt bist, riskierst du ’ne ganz hübsche Lippe.« Sie ließ ihn immer noch nicht los und musterte ihn voller Argwohn.
    »Wer sagt denn, dass ich neu bin?« Wiesel hatte jetzt ganz andere Sorgen.
    »Los, komm mit. Wir unterhalten uns später.«
    Die Stimme hinter seinem Rücken klang befehlsgewohnt und Wiesel setzte sich automatisch in die vorgegebene Richtung in Bewegung. Sie führten ihn nicht in das Versteck, dazu waren sie viel zu vorsichtig. Trotzdem verbanden sie ihm die Augen, kaum dass sie in der verlassenen Bahnhofshalle angekommen waren. Später erfuhr er, dass die Prozedur Teil des Tests gewesen war. Im Augenblick fühlte er sich nur ziemlich unbehaglich.
    Sie führten ihn abwärts und er stolperte ausgetretene Stufen hinunter. Wiesel versuchte sich zu merken, wo sie abbogen, doch sehr schnell verlor er völlig die Orientierung.
    »Ey, bin ich hier in irgend’nem blöden Film, oder was?« Er versuchte, einen auf Macho zu machen, natürlich hätte er nichts Unklugeres tun können.
    »Klappe halten.«
    Die Stimme gehörte dem Rotschopf. Später sollte er erfahren, dass sie Dreisatz genannt wurde. Mit sechs war sie eins der Tennis-Wunder-Babys gewesen. Jetzt, mit zwölf, waren ihr nur noch die Erinnerungen an eine kaputte Kindheit, eine verkrüppelte Schlaghand und Verbitterung geblieben. Sie erkannte eines Tages, dass sie die Wahl zwischen Drogen und Gleichförmigkeit hatte, und entschied sich für die dritte Möglichkeit, als sie ihr über den Weg lief: Sie wurde Teil eines Mythos. Doch das wusste sie damals noch nicht – niemand wusste es. Für die Gruppe war sie diejenige, die am besten Molotow-Cocktails werfen konnte. Zehn Würfe, zehn Treffer – Spiel, Satz und Feuer.
    Die Regierung, oder besser, was davon übrig war, leugnete die Existenz eines aktiven Widerstands gegen die Besucher. Und wenn irgendwo ein Anschlag bekannt wurde, so nannten es die offiziellen Stellen »eine Tat geisteskranker Terroristen, die mit aller Härte geahndet werden musste«.
    Meistens führten die Besucher diese Maßnahmen selbst durch, und sie waren sehr effektiv. Seit dem Zusammenbruch des www hatten sich die wenigen aktiven Gruppen hoffnungslos aufgesplittert. Die Aliens bewegten sich mit dreister Selbstgefälligkeit unter den Menschen, und mit jedem Tag, der verging, wurde ihre Anwesenheit mehr ignoriert. Schließlich nahmen sie niemand den Job weg, oder? Das Leben war hart genug, lohnte es da wirklich, sich über die komischen kleinen Käfer aufzuregen, und sagten sie nicht immer, dass die Besucher ein Segen für die Menschheit seien? Immerhin hatten sie die Kriege beendet, oder war es das sinkende Bruttosozialprodukt oder das ewige Problem mit den Dritte-Welt-Ländern gewesen – war ja
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