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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht
Autoren: Brigitte Melzer
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Beine zerrte, konnte schon hören, wie sich jemand näherte, doch ich hörte noch etwas anderes. Etwas, das sich wie ein Knurren anhörte. Schreie erklangen, gefolgt von Geräuschen, die auf einen heftigen Kampf schließen ließen. Während ich mich noch fragte, ob ein Spaziergänger seinen Hund auf meine Angreifer losgelassen hatte, wurde mir schlecht.
    Die Übelkeit kam mit solcher Heftigkeit, dass ich glaubte, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn und ich schluckte und schluckte, um gegen den Brechreiz anzukämpfen, der immer stärker wurde. Ich musste von hier fort, doch ich konnte mich nicht bewegen. Zitternd und hilflos lag ich da und kämpfte gegen die Panik an, die mir einflüsterte, dass ich ersticken würde. An meinem eigenen Erbrochenen oder an dem schieren Sauerstoffmangel, der unter diesem Sack herrschte.
    Ich rollte mich zur Seite, wodurch die Übelkeit ein wenig erträglicher wurde, und konzentrierte mich auf meine Umgebung. Immer wieder waren dumpfe Laute zu hören, als würde ein Mensch gegen einen anderen prallen, unterbrochen vom Knurren eines großen Hundes. Ich fürchtete mich vor Hunden, ganz besonders vor den großen, im Augenblick jedoch war dieses wütende Grollen der wunderbarste Laut, den ich mir vorstellen konnte.
    Mir war noch immer schlecht, doch ich hatte mich zumindest so weit im Griff, dass ich nicht mehr fürchten müsste, mich jeden Moment zu übergeben.
    Warum war nur der Hund zu hören? Wo war sein Besitzer? Wahrscheinlich war er oder sie klug genug, in sicherer Entfernung zu bleiben und die Polizei zu rufen. Es irritierte mich allerdings, dass nirgendwo Stimmen zu hören waren, die nicht zu meinen Angreifern gehörten. Niemand forderte die Männer auf, aufzuhören. Alles, was ich hörte, waren der Hund und die aufgeregten Rufe der Männer, unter die sich immer wieder Kampfgeräusche mischten.
    Ein dumpfer Aufprall.
    Schnelle Schritte.
    Ein unterdrücktes Stöhnen.
    Ich verlor mich in der unsteten Melodie und merkte erst, dass sie sich verändert hatte, als das Schlagen der Wagentüren an mein Ohr drang. Ein Motor heulte auf. Reifen quietschten. Und plötzlich wurde es still.
    Wie erstarrt wartete ich darauf, dass sich mir jemand näherte, und hoffte, dass es nicht der Hund sein würde. Dann vernahm ich Schritte. Einen Herzschlag später griff jemand nach meinem Arm und zog mich auf die Beine. Übelkeit und Schwindel ließen mich wanken.
    »G anz ruhig«, erklang eine tiefe Stimme neben mir. »S ie sind fort. Alles ist gut.« Der Fremde nestelte an meinem Nacken und einen Moment später war der Sack von meinem Kopf verschwunden. Ein kühler Wind strich über mein erhitztes Gesicht. Ich schnappte gierig nach Luft und schloss den Mund sofort wieder, als mich eine weitere Welle der Übelkeit überkam.
    »K omm, setz dich.« Mein Retter zog mich zur Seite und half mir, mich auf einem Baumstumpf niederzulassen, bevor er meine Fesseln mit einem Taschenmesser durchtrennte. Er trug die Uniform des Wachdienstes unserer Anlage. Ich kannte den bulligen Mann mit dem kurz geschorenen, stahlgrauen Haar und dem gestutzten Vollbart vom Sehen, hatte aber noch nie mit ihm gesprochen.
    »A lles in Ordnung mit dir?« Er ging neben mir in die Knie und musterte mich aus hellblauen, beinahe farblosen Augen. »B rauchst du einen Arzt?«
    »M ir ist schlecht«, entfuhr es mir.
    Einen Moment noch sah er mich nachdenklich an, dann griff er in seine Hosentasche und zog eine Hasenpfote daraus hervor. »N imm die, die wird dich von der Übelkeit ablenken.«
    Ich zog eine Augenbraue in die Höhe, griff aber trotzdem danach. Krampfhaft schlossen sich meine Finger um das Fell, und ich sah überrascht auf, als die Übelkeit schlagartig abflaute.
    »D as hilft immer«, sagte der Mann.
    Sein Name war Gus Miller, zumindest stand das auf dem kleinen goldenen Schild, das über der Brusttasche seines Uniformhemdes prangte. Den grauen Haaren und den tiefen Furchen nach zu schließen, die sich in sein Gesicht gegraben hatten, stand er entweder kurz vor der Rente oder besserte sich diese bereits mit dem Job als Wachmann auf. »D u bist das Munroe-Mädchen, oder?«
    Irgendwie brachte ich es fertig, nicht nur seine Frage zu verstehen, sondern auch zu nicken. Jetzt, da ich nicht länger in Gefahr war und in das vertraute Gesicht des Wachmanns blickte, ließ die Wirkung des Adrenalins augenblicklich nach. Ich war heilfroh, dass Mr Miller die Voraussicht besessen hatte, mich auf den
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