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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht
Autoren: Brigitte Melzer
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Vielleicht war ich überempfindlich, vielleicht war es aber auch der gesunde Menschenverstand, der mir befahl, wegzulaufen.
    Als sich die Türen öffneten, packte ich meine Tasche fester und lief am Wagen vorbei in Richtung Wohnanlage. Jemand folgte mir. Mehrere Leute.
    Ich rannte schneller. Nicht mehr weit bis zur Einfahrt. Sobald ich die erreichte, war ich in Sicherheit. Der Wachmann am Tor würde mir helfen.
    Eine Hand griff nach mir. Ich streifte sie ab, doch mein Verfolger ließ nicht locker. Beim zweiten Versuch erwischte er mich. Ein harter Ruck durchfuhr meinen Arm, wo er mich gepackt hatte, bis zum Schultergelenk hinauf. Ich wurde zurückgerissen, geriet ins Stolpern und taumelte gegen den Mann. Für einen Moment geriet auch er aus dem Tritt. Meine Chance. Dann sah ich ihn. Den Studenten mit dem Handy. Er kam mit einem Jutesack in der Hand auf uns zu. Verflucht, ich hatte mich nicht getäuscht! Ich war tatsächlich beobachtet worden!
    Der Schreck kostete mich wertvolle Zeit, in der sein Kumpan, der mich immer noch festhielt, das Gleichgewicht wiederfand. Wie eine Schraubzwinge schlossen sich seine Finger um meinen Arm. Ich kämpfte dagegen an, schrie, trat und schlug nach ihm, doch ein Dritter kam ihm zu Hilfe. Er holte aus und schlug mir mit der Faust in den Magen. Ich klappte zusammen und hing hilflos im Griff des anderen Mannes, der mich langsam zu Boden gleiten ließ. Das Letzte, was ich sah, ehe mir der vermeintliche Student den Sack über den Kopf stülpte, war eine Tätowierung an der Innenseite seines Handgelenks.
    Ein modriger Geruch stieg mir in die Nase und der raue Stoff kratzte mir über die Wange. Ich wehrte mich, doch sie drückten mich jetzt zu dritt zu Boden. Ein Knie bohrte sich zwischen meine Rippen. Jemand griff nach meinen Händen und zog sie mir auf den Rücken. Ein kurzes Klimpern war zu hören, als einer von ihnen mein Armband streifte, dann schloss sich ein festes Band um meine Handgelenke. Ein kräftiger Ruck, und ich war gefesselt.
    Wieder versuchte ich mich loszureißen, das Knie grub sich fester in meinen Rücken, presste mir die Luft mit einem Keuchen aus den Lungen und raubte mir jegliche Bewegungsfreiheit. Ich weiß nicht, was schlimmer war, nicht sehen zu können, was um mich herum geschah, oder zur Reglosigkeit verdammt zu sein. Immerhin spürte ich, dass mich jetzt nur noch einer von ihnen hielt. Die Schritte der anderen entfernten sich.
    »I n den Wagen mit ihr!«
    Panik überflutete mich. Sie wollten mich fortbringen! Zum ersten Mal fragte ich mich, was sie von mir wollten. Mit mir vorhatten. Das Gleiten einer Schiebetür war zu vernehmen, dann wurde ich auf die Beine gerissen. Nein! Wenn sie mich erst in den Wagen verfrachtet hatten, war es vorbei. Hier auf der Straße hatte ich noch eine Chance, aber da drinnen war ich ihnen endgültig ausgeliefert. Adrenalin durchströmte meine Adern, brennend heiß und eiskalt zugleich. Verzweifelt wand ich mich unter den Schraubstockfingern des Kerls. Als er nicht nachgab, ließ ich mich in die Knie sacken. Ein schmerzhafter Ruck ging durch meinen Arm, ehe ich seiner Hand entglitt. Es war nur ein kurzer Moment, den er benötigte, um seinen Griff zu verändern, doch diesen winzigen Augenblick, in dem sich seine Finger um meinen Arm lockerten, nutzte ich. Ich fuhr hoch, wirbelte herum und stieß ihm meine Schulter in den Leib. Ein wütender Aufschrei erklang.
    Plötzlich war ich frei.
    Durch den Sack hindurch glaubte ich Schatten zu erkennen, doch ich war nicht sicher und hatte auch gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Hände noch auf dem Rücken gefesselt, rappelte ich mich auf und rannte los in die Richtung, wo ich den Eingang zur Wohnanlage vermutete, in der Hoffnung, nicht vollkommen die Orientierung verloren zu haben.
    Die Männer folgten mir. Ihre Schritte kamen näher. Ich blieb mit dem Fuß an etwas hängen, geriet ins Stolpern und fiel der Länge nach hin. Wegen meiner gefesselten Hände war der Aufprall ungebremst und schmerzhaft. Trotzdem versuchte ich, sofort wieder auf die Beine zu kommen.
    Sie waren dicht hinter mir. So dicht, dass ich glaubte, ihren Atem in meinem Nacken zu spüren. Hände streiften mich, bekamen mich jedoch nicht zu fassen. Dann traf mich ein Schlag am Hinterkopf und schickte mich erneut zu Boden.
    Benommen lag ich auf dem Asphalt, blinzelte gegen die Dunkelheit an, die nicht mehr allein von dem Sack über meinem Kopf rührte.
    »S chnapp sie dir!« Ich wartete darauf, dass mich jemand auf die
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