Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
getrieben als mit Vorsatz, zu Lotten kam und sah Albert bei ihr im Gärtchen unter der Laube sitzen, wußt ich mit eins nicht mehr, was ist Manier und was Gepflogenheit! In der Verwirrung gab ich mich vor den beiden ausgelassen närrisch, fröhlich fing ich Possen an, ungereimtes Zeug, daß Lotte mich zum ersten Male mustert, als sei ich nicht bei Trost.
    – Um Gottes willen, sagt sie, alsAlbert es nicht hört. Keine Szene mehr wie die von heute Morgen! Sie sind ja fürchterlich, wenn Sie so lustig sind.
    Ich kann Dir sagen, ich bin heimgeschlichen, beschämt, als hätte sie mit Pferdeäpfeln mich vom Hof vertrieben. OWilhelm! ich könnte das beste, glücklichste Leben führen, zerstörte ich es nicht mutwillig selbst! Ein Strom vonTränen bricht aus meinem gepreßten Herzen, ich weine trostlos einem finstern Schicksal entgegen. – –
    In meinem Elend hat ein Gefährte sich zu mir gesellt, der wohl schon eineWeile um mein Haus geschlichen, letzte Nacht erst aber wagte, sich mir zu zeigen. Der Hund ist es, der schwarze edle Hund, Nero, vom Umherstreifen durch dieWildnis selbst verwildert, zottig, dabei kraftvoll, der wachsam auf derWiese saß, als habe er gewartet, daß ich heraustrat und, als ich’s tat, nicht fortlief. Bei dieser, unserer zweiten Begegnung, näherte ich mich ihm – Du wirst es nachfühlen – um einiges vorsichtiger, hielt ihm die Hand nicht entgegen, deren Narbe mich an unser ungestümes Kennenlernen erinnert, und blieb in einigemAbstand. Nero legte den Kopf schief, wie Menschen es tun, wenn sie sinnen, wie ein Gegenüber zu bewegen wäre, denArgwohn abzutun und Zutrauen zu schenken.
    – Du bist mir einer, redete ich ihn an. Entspringst deiner Herrschaft, genießt ungezügelt der Freiheit, als seist du nicht zum Gehorsam erzogen und abgerichtet worden, als hättest du deinem früheren Herrn auf der Jagd nicht treu Gefolgschaft geleistet.
    Bei Nennung des Grafen von W . – glaub es,Wilhelm, oder nicht, richtete Nero den Brustkorb auf und stieß ein Heulen himmelwärts, als habe er mich verstanden und müsse dieWehmut über den verlorenen Gebieter aus sich herausschreien.
    – Damit nicht genug, sagte ich und setzte Schritt um Schritt, hast du Fridolin, das Zicklein Charlottens, gerissen. Ich sollte ins Haus eilen, die Flinte holen und dir eine Ladung aufbrennen, doch ich tu es nicht, denn mir ist anders ums Herz. Du hast Lotten das Liebste genommen, ihr Spieltier, das sie herzte und koste, so wie auch mir das Liebste genommen ward, Lotte selbst, die ich noch nie kosen durfte, deren Liebesversprechen dem andern gehört, weshalb Raserei in mir wohnt und Irrsinn, weshalb ich mich dir, du Ungezähmter, so nah fühle, daß ich es kaum begreife.Wie du möchte ich den nächtlichen Himmel, den verschleierten Mond anheulen, so abgrundtief ist mein Gram, so nachtschwarz mein Herz.
    Der Hund legte sich in dieWiese, als ob er von mir gekrault werden wollte, ich näherte mich vollends, streichelte sein Borstenfell und redete ihm zu. Es dauerte nur Minuten,Wilhelm, und wir waren eins miteinander, als hätten wir seit je als Herr und Hund gelebt. Nero wollte nicht ins Haus, legte sich auf die Schwelle und bewachte meinen Schlaf. Seit er bei mir, Freund, fühle ich mich ruhiger, nicht mehr gehetzt von den Dämonen, die ich selbst erschaffen.

Am 25. Mai.
    Du hast recht, Wilhelm: In der Welt ist es selten mit Entweder-Oder getan, die Empfindungen und Handlungsweisen schattieren sich so mannigfaltig, als Abfälle zwischen einer Habichts- und Stumpfnase sind. Du wirst mir also nicht übel nehmen, wenn ich Dir Dein Argument einräume und mich doch zwischen dem Entweder-Oder durchzustehlen suche.
    Entweder, sagst Du, hast Du Hoffnung auf Lotten, oder Du hast keine. Gut, im ersten Fall suche sie durchzutreiben, suche die Erfüllung DeinerWünsche zu umfassen: im anderen Fall ermanne Dich und suche einer elenden Empfindung loszuwerden, die all Deine Kräfte verzehrt. – Bester! Das ist leicht gesagt. Kannst Du von einem Unglücklichen, dessen Leben unter einer Krankheit allmählich abstirbt, der durch eine mysteriöseVerwandlung in ein anderes, schaudervolles Leben hineinwächst, kannst Du von ihm verlangen, er solle durch einen Dolchstoß der Qual ein Ende machen? Raubt das Übel, das seine Kräfte verzehrt, ihm nicht zugleich auch den Mut, sich davon zu befreien?
    Zwar könntest Du mir mit einem verwandten Gleichnis antworten:Wer ließe sich nicht lieber denArm abnehmen, als daß er durch Zaudern und Zagen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher