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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Emsigkeit in Geschäften habe ich wenige seinesgleichen gesehen. Und Lotten scheint seine Bravheit noch zu gefallen!

Am 28. Mai.
    Diese Nacht hat sich mir offenbart, was Du nicht glauben magst, wie ich selbst es nimmer glauben will. Es begann mit einemTag, den ich harmlos, doch angespannt umschreiben will, ich hatte eine Szene mitAlbert, da ich kam, umAbschied zu nehmen. In meinerVerzweiflung sehe ich nur dieAusflucht, ins Gebirge zu reiten, loskommen muß ich von der peinigendenAnständigkeit dieser freundlichen Menschen.Wie ich in der Stube auf und ab gehe, fallen mirAlberts Pistolen in dieAugen.
    – Borge mir die Pistole, sagte ich, zu meiner Reise.
    – Meinetwegen, sagte er, wenn du dir die Mühe nehmen willst, sie zu laden; bei mir hängen sie nur pro forma.
    Ich nahm eine herunter. Er fuhr fort: Seit mir meineVorsicht einen so unartigen Streich gespielt hat, mag ich mit dem Zeug nichts mehr zu tun haben. Ich war neugierig, die Geschichte zu wissen.
    – Ich hielt mich, erzählte er, auf dem Land bei einem Freunde auf, hatte ein paar Kurzgewehre ungeladen dabei und schlief ruhig. Einmal an einem regnichten Nachmittag, da ich müßig sitze, weiß ich nicht, was mir einfällt: wir könnten überfallen werden, dachte ich, drum gab ich die Gewehre meinem Bedienten, sie zu putzen und zu laden. Der will eine Magd damit erschrecken, und Gott weiß wie, das Ding geht los, da der Ladstock noch drinsteckt, und schießt den Ladstock dem Mädchen in die rechte Hand und zerschlägt ihr den Daumen. Da hatte ich das Lamentieren und die Kur zu zahlen obendrein. Seit der Zeit laß ich alles Gewehr ungeladen.
    Ach,Wilhelm, was istVorsicht? NachAlbertsVortrag reizte mich die Gefahr, ich verfiel in Grillen, und mit einer auffahrenden Gebärde drückte ich mir die Mündung der Pistole übers rechteAuge an die Stirn.
    – Pfui! sagteAlbert, indem er die Pistole herabzog, was soll das?
    – Sie ist nicht geladen, sagte ich.
    – Und auch so, was soll’s? versetzt er ungeduldig. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Mensch so töricht sein kann, sich zu erschießen; der bloße Gedanke erregt mirWiderwillen.
    – Daß ihr Bürger, rief ich aus, wenn ihr von einer Sache redet, stets sprechen müßt: das ist töricht, das ist klug, das ist gut, das böse! Habt ihr denn die innereAuslösung einer Handlung dabei erforscht? wißt ihr mit Bestimmtheit die Ursache, warum sie geschah, warum sie geschehen mußte? Ich redete mich in eine mir gleichwohl unverständlicheWut. – Hättet ihr das, rief ich, ihr würdet nicht so eilfertig mit euren Urteilen sein!
    – Du wirst mir zugeben, sagteAlbert, daß gewisse Handlungen lasterhaft bleiben, aus welchem Beweggrunde sie auch geschehen mögen.
    Ich zuckte die Achseln. – Doch, mein Lieber, fuhr ich fort, finden sich Ausnahmen. Es ist wahr, Diebstahl ist ein Laster, doch der Mensch, der sich und die Seinen vom Hungertode retten will und auf Raub ausgeht, verdient der Mitleid oder Strafe? Wer hebt den ersten Stein gegen den Ehemann, der im gerechten Zorn sein untreues Weib aufopfert? gegen das Mädchen, den Jüngling, die in einer wonnevollen Stunde sich in den unaufhaltsamen Freuden der Liebe verlieren? Bei diesem Satz, Wilhelm, sah ich Albert mit Ingrimm ins Auge, ob er erraten möchte, von welchem Mädchen, welchem innerlich siedenden jungen Mann ich spräche.
    – Das ist was anders, versetzt er, weil ein Mensch, den seine Leidenschaften hinreißen, alle Besinnungskraft verliert und alsTrunkener, alsWahnsinniger angesehen wird.
    Verliert, verlieren will, verlieren muß! dachte ich, Leidenschaft,Trunkenheit, sind es nicht Schlupflöcher in den herrlichsten, übermenschlichstenWahnsinn? –Ach ihr vernünftigen Leute! rief ich statt dessen, ihr steht gelassen, ganz ohneTeilnehmung da, ihr sittlichen Menschen scheltet denTrinker, verabscheut den Unsinnigen, geht vorbei wie der Pfaffe und dankt Gott wie der Pharisäer, daß er euch nicht gemacht hat wie einen von diesen.
    Daß er euch nicht gemacht hat wie mich , dachte ich insgeheim. Ich bin all das, was du verachtest, teurerAlbert, bin es geworden unter eurenAugen, die ihr in mir immer noch den jungen Mann von Stand, den Edelmann mit hoher Bildung erblickt und die Fratze dahinter nicht erkennt.
    – Ich bin mehr als einmal trunken gewesen, sagte ich, um ihm mein Charakterbild vorsichtig zu offenbaren. Meine Leidenschaften waren nie weit vomWahnsinn, und beides reut mich nicht: ich habe begreifen lernen, warum man alle außerordentlichen
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