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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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noch als der Schrecken ist der bittere Schmerz, den das liebe Mädchen durch denVerlust erleidet. Sie ist ganz trostlos, mag sich vomVater nicht, auch nicht durch dasWehklagen ihrer kleinen Geschwister aus dem Stall fortholen lassen. Dabei muß das Böcklein unter die Erde, wir haben bald Sommer,Verwesung setzt ein, Fliegenschwärme umlagern die Hütte.
    Ich habe meine eigene Mutmaßung, was den Übeltäter betrifft, offenbarte sie aber noch keinem. Der schwarze Hund des Grafen, seitTagen unauffindbar, treibt sich hier draußen herum. Mag sein, dieWitterung des milchwarmen Zickleins ist ihm zu Nasen gestiegen.
    Kurz, heute war nicht derTag, an dem ich Lotten sehen sollte, ließ mein Kompliment ausrichten ihremVater und bot Hilfe zur Erlegung der Bestie. Denn, Hund oderWolf, kommt ein solchesVieh auf fremden Höfen einmal in den Blutrausch, läßt es nimmer ab und sucht stets neues warmes Leben zu reißen. Hier ist schnelles Handeln Notwendigkeit.
    MeineTränen um LottensTränen sind nun getrocknet. Doch bin ich zerstreut.Adieu, Lieber, ich schließe.Was ist unserem Herzen dieWelt ohne Liebe!Was eine Zauberlaterne ist ohne Licht! Kaum bringst du das Lämpchen hinein, so scheinen die buntesten Bilder an deine weißeWand!

Am 23. Mai.
    Albert ist angekommen. Ich muß fort! Und wär er der beste, der edelste Mensch, ihn vor meinemAngesicht im Besitz so vielerVollkommenheiten, wie Lotte sie darstellt, zu sehen – Besitz! – Genug,Wilhelm, der Bräutigam ist da! Nach außen ein braver Mann, dem man gut sein muß.Warum sagt etwas in meinem Innern aber, dem sei nicht so?Warum knurrt’s in mir, der Instinkt nimmtWitterung auf, woher der faule Geruch kommen mag, der mitAlberts Erscheinen das Jagdhaus durchzieht? Bin ich das etwa selbst, ist das mein Neid, die Habgier, die ihm das schöneWild abjagen will? Ist es der Dunst der Eifersucht, der umweht, daß er nicht haben darf, was mir gehören muß!
    Albert scheint mein Gefühl zu spüren, er ist redlich genug, und hat Lotten in meiner Gegenwart noch nicht geküßt. Das lohn ihm Gott! Um des Respekts willen, den er vor dem Mädchen hat, muß ich ihn achten. Zugleich – ist es nicht widerlichste Bigotterie, daß er sie sein nennen darf, nicht aber in Besitz nimmt, sondern zappeln läßt wie einen Köder, an dem jeder sich ergötzen, nach dem jeder schnappen mag? Ich darfAlbert nicht trauen, obzwar er mich freundlich behandelt – das mag LottensWerk mehr sein als seine eigene Empfindung. Darin sindWeiber ja, wie jung sie sein mögen, raffiniert, wenn sie zweiVerehrer in gutemVernehmen miteinander halten, um sich selbst noch besser auszustellen. – Nein,Wilhelm, ich will Lotten nicht in üblem Lichte betrachten, sie ist die Reinheit, der Edelmut selbst – aber! wie kann sie zwei Mannsbilder, die auf den Leim ihr kriechen, die ihrer Fährte folgen, zu niedlichen Schoßhunden zähmen?
    Alberts gelasseneAußenseite sticht gegen die Unruhe meines sich unaufhaltsam ändernden Charakters ab; er scheint wenig üble Launen zu haben, weder Grillen nochWildheiten. DieseArt unablässiger Gelassenheit, Du weißt es, Freund, ist eine Sünde, die ich ärger hasse am Menschen als andere.Albert hält mich für einen Mann von Sinn und versucht, mich beiTisch in Philosopherey zu verstricken, zugleich genießt er meineAnhänglichkeit an Lotten, meine Freude, die ich an all ihren Handlungen habe, vermehrt es doch seinenTriumph, sie zu besitzen, er liebt sie darum nur um so mehr. Ob er sie manchmal mit Eifersüchteleien plagt, lasse ich dahingestellt, ich an seinem Platze wäre vor diesem Plageteufel gewiß nicht gefeit.
    Dem sei nun wie ihm wolle! Freund, es ist vorbei. Mein Glück, bei Lotten zu sein, ist hin. Ich wußte alles, was ich jetzt weiß, eheAlbert kam.Aber ich selbst, Freund, ich bin nicht mehr der nämliche! Ich bin vom Grund her ausgewechselt, umgestülpt, als wie ein Handschuh außen weiß sein mag, inwendig aber blutend rot. Soll ich esTorheit nennen oderVerblendung?Wußte ich nicht, daß ich keine Prätension auf Lotten mir anmaßen darf? Doch wie sollte ich sie bei so viel Lieblichkeit nicht begehren? Jetzt macht der Hundsfott, der ich geworden, große Fratzenaugen, daß der andere wirklich daherkommt und ihm das Mädchen wegschnappt.
    Ich beiße die Zähne zusammen und spotte über mein Elend – nachts aber, wenn an Schlafen nicht zu denken ist, spring ich hügelwärts und heule vor Enttäuschung. Wilhelm, ich bin im Wald umgelaufen! Als es tagte und ich, mehr
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