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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus
Autoren: Gerd Luedemann
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der Ungerechtigkeit auf dieser Erde kommt es zu einer Infragestellung der
     religiösen Wahrheit und der göttlichen Weltlenkung.
    |105| Am Ende hängt alles von der ebenso banalen wie ernsthaften Frage ab, ob es jenen Gott überhaupt gibt, der seinen Sohn in diese
     Welt gesandt hat, um sie und ihre Bewohner mit sich zu versöhnen, und ihn anschließend von den Toten auferweckte.
    Die Religionskritik, die Religionen als Projektion menschlicher Wünsche zu verstehen lehrte, und die historisch-kritische
     Methode, die jeden einzelnen Vers der Bibel als Menschenwort entlarvte, haben in den letzten 200 Jahren die Wahrheit dieses
     Anspruchs so nachhaltig erschüttert, dass er nicht mehr vertreten werden kann.
    Die von der Kirche unverdrossen gepredigte neue Wirklichkeit des Heils, angezeigt durch Jesu Erweckung aus dem Tode, ist ein
     Nichts, da Jesus nie auferstanden ist. Entfällt aber so der entscheidende Bezugspunkt für die christliche Leidens- und Schmerzenstheologie,
     kann man sich nur von ihr verabschieden. Schmerz will erlitten und schließlich durch Heilung oder Tod überwunden werden. Diese
     Erfahrung haben Menschen millionenfach gemacht. Es ist das tragische, aber auch verheißungsvolle Gesetz unseres Lebens, an
     dessen Ende zwar keine Versetzung in den Himmel, wohl aber eine Einkehr in das Ganze steht.

|106| 27. Beten nach dem Tode Gottes 1
    Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht Jesus als der neue Mensch. Seine Person ist der Angelpunkt eines Mythos von
     kosmischem Ausmaß. Dieser setzt ein bei der Schöpfung der Welt durch Gott, erfährt eine tragische Zuspitzung im Sündenfall
     Adams und findet eine Lösung im neuen Menschen, Jesus Christus. Dessen Sühnetod, der Gott gnädig stimmt, rettet alle, die
     an ihn glauben, vor der Vernichtung und macht sie selbst zu neuen Menschen. Mit seiner Wiederkunft auf den Wolken des Himmels
     vollendet sich das kosmische Drama: Das Alte vergeht, alles ist neu geworden.
    Der so beschaffene christliche Glaube wurde seit der Aufklärung gnadenlos demontiert, und dies aus gutem Grund. Die Annahme
     eines Schöpfers erwies sich als problematisch, seitdem feststand, dass der Kosmos sich seit Jahrmillionen als explodierendes
     Ungeheuer in die Unendlichkeit schleudert. Die Religionskritik entlarvte das Gotteswort der Bibel als Menschenrede, und das
     Fundament biblischer Heilslehren, die Auferstehung Jesu, löste sich in einen visionären Nebel auf. Aber auch die lange Blutspur
     des kirchlichen Umgangs mit Ketzern trug zur Destruktion des Christentums bei.
    Die Relativierung des Glaubens in der Neuzeit ist somit eng mit der wissenschaftlichen Kritik am christlichen Mythos verbunden.
     Wissen war fortan – wenigstens von seinem Anspruch her – rational begründet, Glauben Irrationalität zugeordnet. Diese Beziehung
     wurde dort schlagend bestätigt, wo es Führern gelang, Menschenmassen zum Glauben an sich fortzureißen. Allerdings stellt sich
     die Frage, ob nicht in der Fähigkeit zum Glauben ein enormes, auch positiv zu wertendes Potenzial steckt und ob nicht zuweilen
     Wissen in sein gerades Gegenteil umschlagen kann.
    |107| Trat die neuzeitliche Wissenschaft mit dem Programm an, die Welt zu entzaubern, so muss nach einem Vierteljahrtausend Erfahrung
     mit ihr einschränkend angemerkt werden, dass es ihr nie gelang, den Zauber des Glaubens vollständig zu bannen. Dies gilt aber
     auch für weite Teile der wissenschaftlichen Theologie. Um Glaube und Vernunft in ein harmonisches Verhältnis zu bringen, interpretierten
     manche ihrer Vertreter die christliche Botschaft »religionslos«, aus der Situation »nach dem Tode Gottes« heraus oder entmythologisierten
     sie kurzerhand. Damit vertrieb man jedoch das Christentum aus der Kirche oder hetzte das christliche Ross als erschöpften
     Klepper zu Tode. Offenbar war der säkulare Mensch von Anfang an ein Retortenbaby im Hirn von Wissenschaftlern, die das Leben
     interpretieren, aber nicht kennen. Der von ihnen ausgetriebene Glaube verbündete sich alsbald mit anderen abergläubischen
     Helfershelfern und eroberte die leer gefegten Häuser von Kirche und Gesellschaft zurück.
    So glauben heutzutage ein Drittel aller erwachsenen Amerikaner Kontakt zu den Toten zu haben, ein Viertel glaubt an Reinkarnation.
     Entführungen von Außerirdischen sind ernsthafter Gesprächsstoff, und in diesen Kreisen gilt die Doktrin, dass die Kraft oder
     Intensität, mit der etwas empfunden wird, ein Anhaltspunkt für den
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