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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus
Autoren: Gerd Luedemann
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Vorgeschichte Jesu Christi vollständig entleert. Sie lösen sich in Nebel auf und mit
     ihnen auch die Auferstehung Jesu, denn das Zentraldatum christlichen Glaubens gilt in der Theologie inzwischen auch als unhistorisch.
    Diese Erkenntnisse besiegeln nicht nur den Tod des alttestamentlichen Geschichtsgottes, sondern auch das Ende des Vaters Jesu
     Christi. Sie nehmen aber auch dem Islam, der sich als Reform der beiden anderen Religionen versteht, sein monotheistisches
     Fundament.

|12| 2. Schwelgen in Ausrottungsphantasien 1
    Über das Jahr 2006 haben die christlichen Kirchen als Losung ein Wort aus dem Buch Josua gestellt, Kapitel 1, Vers 5. Der
     Gott Jahwe verspricht dort Josua, dem Nachfolger Moses, vor dem Einzug in das gelobte Land Kanaan: »Ich lasse dich nicht fallen
     und verlasse dich nicht.«
    Die Wahl dieses Spruchs als Jahreslosung lebt förmlich von der Nicht-Berücksichtigung seines biblischen Kontextes: der im
     Josuabuch von Gott befohlenen Vernichtung der Urbewohner Kanaans. Deren Anfang macht die Zerstörung Jerichos, beschrieben
     in Kapitel 6, Vers 21: »Sie vollstreckten den Bann aber an allem, was in der Stadt war, mit der Schärfe des Schwerts, an Mann
     und Frau, jung und alt, Rindern, Schafen und Eseln.« Andere Städte unterliegen derselben gräulichen Maschinerie der Ausrottung.
     Bei diesen Säuberungsaktionen in Jericho sowie in anderen Städten Kanaans lässt Gott Josua nicht fallen und verlässt ihn nicht.
    Der große französische Bibelkritiker Ernest Renan hat seinen Abscheu vor diesen »bluttriefenden Barbarensitten« vor gut einem
     Jahrhundert so ausgedrückt: »Die menschliche Grausamkeit nahm die Form eines Paktes mit der Göttlichkeit an. Man legte ein
     feierliches Gelöbnis ab, alles zu töten, und verbot damit sich selbst, der Vernunft oder dem Mitleid Folge zu leisten. Man
     weihte eine Stadt oder ein Land der Vernichtung und glaubte Gott zu beleidigen, wenn man den gräulichen Eid nicht hielt.«
    Immerhin hat der Bann wenig mit Rache, Hass oder Plünderung zu tun. Er ist vielmehr eine rituelle Heiligmachung mit dem Ziel,
     der Gottheit als Spenderin des Lebens gefangene Menschen und Tiere als Opfergaben zurückzugeben. Wer wie später König Saul |13| den Bann brach und sich an gesundem Vieh bereicherte, wurde daher unverzüglich bestraft.
    Nun hat der Heilige Krieg so, wie ihn das Josuabuch beschreibt, niemals stattgefunden. Die neuere Forschung zeigt deutlich:
     Die biblische Erzählung über den Auszug aus Ägypten und die Eroberung Kanaans ist keine Wiedergabe des historischen Verlaufs.
     Ihre Verfasser sind vielmehr politisch machtlose Theologen, die im babylonischen Exil mehr als ein halbes Jahrtausend nach
     dem vermeintlichen Einzug ins Gelobte Land aus Eifer für Gott in Ausrottungsphantasien schwelgen.
    Jedoch besteht das Problem für uns heute gar nicht darin, ob die Erzählungen Faktum oder Fiktion sind. Ärgernis erregt, dass
     die rituelle Zerstörung überhaupt befohlen wird. Die Texte aus dem Josuabuch schildern die totale Abschlachtung der kanaanäischen
     Bevölkerung, und es gibt keine einzige Passage im Alten Testament, die den Bann kritisiert oder seine Anordnung durch Gott
     bestreitet. Der Bann hat einen erschreckend grundsätzlichen Charakter: Gott lässt seine Exekutoren nicht fallen und verlässt
     sie nicht.
    Die Jahreslosung für 2006 stammt aus einem der schlimmsten Zeugnisse für die blutige Seite der Bibel, die indes nicht auf
     das Alte Testament beschränkt ist, wie etwa das letzte Buch der Bibel, die »Offenbarung des Johannes«, zeigt. Die Kirchenführer,
     die diese Losung auserkoren und aus dem Kontext gerissen haben, sollten sie daher schleunigst wieder aus dem Verkehr ziehen.

|14| 3. Intolerantes Evangelium 1
    Die frühchristliche Botschaft sagt eine von Gott herbeigeführte neue Epoche an. Sie begann mit dem Kommen seines Sohnes in
     die Welt, fand in der Auferstehung Jesu von den Toten einen vorläufigen Höhepunkt und sollte sich bei dessen Wiederkunft am
     Ende der Zeit vollenden. Das Evangelium, wörtlich übersetzt »Frohbot schaft «, hat Jesus Christus zur Mitte. Am Glauben daran, dass Gott ihn zum Heiland bestimmt hat, entscheiden sich Heil und Unheil
     der Menschen. »Wer da glaubt und getauft wird, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden« (Mk 16,16),
     heißt es griffig am Schluss des ältesten Evangeliums.
    Die Frohbotschaft wandelte sich unversehens zur Drohbotschaft, wenn das Angebot zur
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