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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus
Autoren: Gerd Luedemann
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Prophetie.
    Die Forschung hat zumeist einen aktuellen Bezug dieser Polemik auf eine Täufergruppe um Johannes abgelehnt. Doch findet sich
     eine Analogie im gnostischen Traktat »Paraphrase des Seem« aus den Nag-Hammadi-Schriften. Er erzählt von einem erbitterten
     Kampf zwischen Jesus (= »der Dämon Soldas«), in dem der gnostische Erlöser Derdekeas zeitweise wohnt, und seinem Widersacher
     Johannes (= »der andere Dämon«). Der gut erhaltene Text, der streckenweise aber nur schwer zu verstehen ist, spiegelt den
     die Taufe betreffenden Konflikt zwischen zwei Parteien wider und belegt zusammen mit den Pseudoklementinen die Existenz lebendiger
     sich auf Johannes berufender Täuferkreise im 2. Jahrhundert.
    Die Polemik in den genannten Schriften wirkt wie eine Steigerung der Angriffe, die das Johannesevangelium gegen Täuferjünger
     richtete. Vielleicht hatten die Attacken in der »Paraphrase des Seem« die gnostische Taufbewegung der Mandäer (»die Erkennenden«)
     im Blick; diese verehrten Johannes den Täufer und lehnten Jesus als Betrüger ab.
    Die Mandäer zogen im 2. Jahrhundert aus dem Ostjordanland in das südliche Euphrat-Tigris-Gebiet, wo sich – vor allem in Bagdad
     und Basra – große Teile von ihnen heute noch aufhalten. Während die Christen den jüdischen Bußprediger Johannes zum Vorläufer
     Jesu stilisierten, haben die Mandäer den Täufer zum gnostischen Heiligen gemacht.

|27| 6. Jede Zeit malte ihr Bild von Jesus 1
    Dan Browns Roman »Sakrileg« handelt von der Aufdeckung der größten Verschleierungsaktion in der Geschichte. Objekt der Verschwörung
     ist Jesus, Täterin die katholische Kirche. Sie unterdrückte Dokumente über ihn und seine Familie, aus denen unter anderem
     hervorgeht, dass er mit seiner Gemahlin Maria Magdalena eine Tochter gezeugt hat.
    Mit anderen Worten: Die Figuren im Roman enthüllen allerlei Geheimnisse über Jesus und die frühe Kirche, die, vom Standpunkt
     der seriösen historischen und theologischen Forschung aus geurteilt, unter die Rubrik »lächerliche Absurditäten« fallen. Dazu
     gehört, um nur drei weitere Beispiele zu nennen, dass Jesus eine Chronik seines Lebens verfasst haben könnte und Maria Magdalena
     ein Tagebuch, dass im vierten Jahrhundert Kaiser Konstantin die Evangelien des Neuen Testaments aus mehr als 80 anderen ausgewählt
     hat und dass sich Jesu Nachkommen im fünften Jahrhundert durch Heirat mit einem französischen Königsgeschlecht vereinten,
     woraus die Dynastie der Merowinger hervorging.
    Diese krude, aber unterhaltsame Geschichte war auch in deutschen Kinos mitzuerleben. Eine hochkarätige Besetzung – mit Tom
     Hanks in der Titelrolle des Harvard-Professors Robert Langdon, der eher widerstrebend der Wahrheit über Jesus auf die Spur
     kommt – ließ die Kassen klingeln.
    Inzwischen bemühen sich vielerorts Theologen beider großer Kirchen um Schadensbegrenzung und rüsten die Gläubigen gegen die
     »Verbiegung der biblischen Botschaft«, gegen die »dreiste Erfindung« oder gar gegen den »großen Betrug«, dessen Dan Brown |28| schuldig sei. Dabei kann es nur befremden, dass diese orthodoxen Glaubensrichter die von Brown verfasste fiktive Geschichte
     – deren Helden freilich viel dummes Zeug erzählen – offenbar nicht von einem betrügerischen oder schlecht recherchierten Sachbuch
     unterscheiden können. Noch bedenklicher aber ist, dass die christlichen Lehrer, die ihn der Irreführung oder gar des Betrugs
     zeihen, selbst aus dem Glashaus mit Steinen werfen. Brown erhebt als Autor (zu Recht oder zu Unrecht) lediglich den Anspruch,
     dass sämtliche in seinem Roman erwähnten Kunst- und Architekturwerke tatsächlich existieren und dass alle Dokumente wahrheitsgetreu
     wiedergegeben werden, behauptet aber nirgends, dass die Enthüllungen der von ihm erdachten Personen sich auf historisch zuverlässige
     Fakten beziehen. Wenn rechtgläubige Theologen Brown gleichwohl vorwerfen, historische Ungereimtheiten und Fehler zu verbreiten,
     sollten sie sich daran erinnern, dass man diesen Vorwurf mit mehr Recht gegen die neutestamentlichen Evangelien erheben kann.
     Denn deren Verfasser beanspruchen, anders als Brown, durchaus, ein authentisches Jesusbild zu zeichnen.
    250 Jahre kritische Bibelwissenschaft haben gezeigt: Die Entwicklung, den Menschen Jesus, seine Worte und Taten zu verfälschen
     und zu übermalen, begann schon im ältesten Christentum und befindet sich im Neuen Testament bereits in einem fortgeschrittenen
    
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