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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus
Autoren: Gerd Luedemann
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Stadium. Die darin enthaltenen Jesustraditionen stehen größtenteils in einem schreienden Gegensatz zu dem, was Jesus wirklich
     sagte und tat. Historisch geurteilt, haben die frühen Christen sich Jesus so zurechtgemacht, wie er ihren Wünschen und Interessen
     entsprach und wie er ihnen im Kampf gegen Abweichler und Andersgläubige am nützlichsten zu sein schien. Der charismatische
     Exorzist Jesus wurde so zum Vollbringer von geradezu monströsen Wundertaten, der jüdische Gleichniserzähler zum missgünstigen
     Antisemiten, der unstetig umherziehende Wanderprediger zum Weltenherrscher, der einst über Tote und Lebende Gericht halten
     wird.
    Den Kirchenfunktionären, die sich im Fall Dan Brown zu Wort melden, sind diese sicheren Resultate der Forschung keineswegs |29| unbekannt. Dennoch maßregeln sie diejenigen, die daraus in den Kirchen und an den Theologischen Fakultäten die Konsequenzen
     ziehen, unerbittlich und nehmen in ihrem Übereifer nun sogar die Protagonisten eines Romans und deren absurde Schlussfolgerungen
     unter Beschuss. Hingegen haben nichtchristliche Juden die ebenso fromme wie skrupellose Verfälschung der Worte und Taten Jesu
     durch die neutestamentlichen Autoren und ihre Gewährsleute von Anfang an »Betrug« genannt. Sie stellten damit eine weitreichende
     These auf, die Teil des öffentlichen Gesprächs über Dan Browns Buch und seine Verfilmung werden sollte.

|30| AUFERSTEHUNG
    7. Das Grab des Gekreuzigten war nicht leer 1
    Die Auferstehung Jesu von den Toten ist von der Urkirche bis heute zentraler Inhalt des christlichen Glaubens. Was aber ist
     unter Auferstehung zu verstehen? Die von ihr handelnden Texte des Neuen Testaments lassen sich in drei Klassen einteilen:
     Ostererzählungen, die den auferstandenen Jesus in Gegenwart seiner Jünger zeigen; Geschichten vom leeren Grab und Bekenntnisformeln,
     denen zufolge Jesus von Gott auferweckt wurde oder den Jüngern erschienen ist.
    Einem großen wissenschaftlichen Konsens zufolge sind die Erzählungen der Evangelien über den auferstandenen Jesus historisch
     wertlos. Sie formen nämlich sekundär den Gemeindeglauben aus, der in den Bekenntnisformeln seinen primären Niederschlag gefunden
     hat.
    Jede kritische Beschäftigung mit der Auferstehung Jesu wird daher bei den Bekenntnisformeln einsetzen und von dort aus auch
     den historischen Wert der Grabesgeschichten prüfen.
    Der Apostel Paulus zitiert im ersten Brief an die Korinther, Kapitel 15, Verse 3–5, eine Bekenntnisformel, die er als Teil
     christlichen Unterrichts in den dreißiger Jahren gelernt hat: »Christus starb für unsere Sünden nach den Schriften und wurde
     begraben, er ist am dritten Tag auferweckt worden nach den Schriften und erschien dem Kephas (= Petrus), dann den Zwölfen.«
     Nach der Aufzählung weiterer Auferstehungszeugen betont Paulus, dass Christus auch ihm erschienen sei.
    |31| In dieser katechetischen Tradition geht es um einen doppelten »Beweis«: einerseits aus den Schriften, auf die jedoch nur allgemein
     verwiesen wird, und andererseits aus einer bestätigenden Tatsache. Dabei bekräftigt die Aussage über das Begräbnis Jesu seinen
     Tod und die Aussage über die Erscheinung vor Kephas die Auferstehung. Die Erscheinung vor Kephas ist offenbar der Grund für
     das Bekenntnis: »Jesus ist auferweckt worden« beziehungsweise »Gott hat Jesus von den Toten erweckt«.
    Das von Paulus zitierte Credo, das in die allererste Zeit der Urkirche hinabreicht, liefert eine wichtige Einsicht: Auslöser
     des Auferstehungsglaubens war eine Erscheinung, ein »Sichtbar-Wer den « Jesu vor Kephas. Das heißt: Kephas hat Jesus in einer Vision gesehen. Eine Vision ist ein Vorgang im menschlichen Geist
     und Produkt der eigenen Vorstellungskraft, obwohl Visionäre es regelmäßig anders einschätzen. Sie empfangen von außen Bilder,
     die Vision wirkt auf sie mit der vollen Kraft einer objektiven Tatsache.
    Demgegenüber schildern die Grabesgeschichten den Beginn des Ostergeschehens ganz anders: Frauen hätten das Grab Jesu leer
     aufgefunden. Der älteste Bericht davon steht im Markusevangelium, Kapitel 16, Verse 1–8. Er besteht aus drei Teilen: Die Frauen
     sind zunächst auf dem Wege zum Grab, dann im Grab, und schließlich fliehen sie vom Grab. Sie hatten im leeren Grab einen engelhaften
     Jüngling getroffen, dessen Verkündigung den Mittelpunkt der Geschichte bildet: »Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten;
     er wurde auferweckt, er ist nicht
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