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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus
Autoren: Gerd Luedemann
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hier.«
    Die Botschaft des Jünglings setzt das Credo der Auferweckung Jesu voraus, das sich bereits bei Paulus findet. Daraus wird
     nun aber gefolgert, dass Jesus »nicht hier« ist. In dem damit erbrachten Beweis für die körperliche Auferstehung Jesu spiegelt
     sich die Tatsache wider, dass die Verkündigung der Auferweckung Jesu durch die Jünger die Frage nach dem Verbleib seines Leichnams
     geradezu provozierte. Das Matthäusevangelium berichtet von dem Gerücht, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Auch
     die älteste |32| Grabesgeschichte ist demnach eine Ausformung des Glaubens an die Auferweckung Jesu und ihm gegenüber chronologisch nachgeordnet.
    Es bleibt also dabei: Der Osterglaube wurzelt den ältesten Traditionen zufolge in einer Erscheinung Jesu vom Himmel her und
     nicht in der Entdeckung eines leeren Grabes oder gar in der Begegnung mit einem wiederbelebten Leichnam, wie ihn die Ostererzählungen
     der Evangelien zeichnen. In diesen verzehrt Jesus vor den Augen der Jünger Fisch und Brot, fordert sie auf, ihn zu berühren,
     und kehrt erst 40 Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel zurück.
    Blicken wir auf die Hinrichtung Jesu zurück, so ist sicher: Der Tod Jesu war ein Schock für die Jünger. In sehnsüchtiger Hoffnung
     auf das Reich Gottes hatten sie sich gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem begeben. Dessen Kreuzigung schien ihre Hoffnungen
     zu zerstören, durch die Ostererscheinungen wurden sie noch übertroffen. Petrus hatte Jesus lebendig gesehen. Damit war der
     Inhalt der Vision den anderen vorgegeben. Die Erstvision des Kephas wirkte förmlich ansteckend, ihr folgten unmittelbar weitere,
     bis schließlich auch Paulus, der Jesus nicht einmal persönlich gekannt hatte, eine Christusvision empfing.
    Der älteste Osterglaube begann als Schau des bei Gott befindlichen Jesus. Dieses Phänomen haben wir bereits mehrfach »Vision«
     genannt, denn Jesus blieb tot. Der auferstandene Jesus existierte nur in den Fantasien seiner Anhänger. Jedoch griff er den
     Jüngern zufolge unaufhörlich in die Geschichte ein, stattete sie sogar mit dem Mandat zur Sündenvergebung aus und sandte sie
     in alle Welt. Der Auferstandene besaß eine ungeheure Stärke und teilte seine Allmacht mit den Seinen. Hier reicht der Begriff
     »Vision« zur Beschreibung nicht mehr. Das zugrunde liegende Phänomen weitet sich zur Halluzination. Und die behauptete Auferweckung
     Jesu durch Gott wird zum Auferstehungswahn.
    Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, führt die Einsicht in den ältesten christlichen Auferstehungsglauben unweigerlich |33| zur Kritik an diesem Glauben. Denn Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt, obwohl Christen es bekennen und die Kirche
     darauf gebaut ist. 2000 Jahre lang übte der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu eine ungeheure Wirkung aus. Sie erweist
     sich nun als eine Selbsttäuschung von welthistorischem Ausmaß.

|34| 8. Die Legende vom heiligen Grab 1
    Vor genau 100 Jahren besuchte Kaiser Wilhelm II. das Heilige Land. Viele verlachten und bespöttelten damals seine Jerusalemreise,
     die vor allem politischen Zielen diente. Der Kaiser wollte nämlich die am Suezkanal stehenden Engländer darauf aufmerksam
     machen, dass mit ihm und seinem deutschen Reich auch im Nahen Osten fortan zu rechnen sei. Aber er verfolgte mit seiner Wallfahrt
     auch einen religiösen Zweck. Er empfahl sich nämlich dadurch als Protektor sowohl der evangelischen als auch der römisch-katholischen
     Kirche. Gleichzeitig wollte Wilhelm mit seiner Palästinareise Sympathie für die jüdische Bevölkerung Jerusalems bekunden.
     Diese revanchierte sich prompt durch den Bau eines Triumphbogens für den Monarchen, auf dem mit hebräischen und deutschen
     Buchstaben ein biblischer Psalmvers stand: »Gesegnet sei, der da kommt! Im Namen des Herrn grüßen wir Euch aus dem Hause des
     Ewigen«. Der Kaiser gedachte aber auch seiner christlich-abendländischen Herkunft und stiftete zwei Kirchen: die katholische
     Dormitiokirche auf dem Zionsberg, die an der Stelle steht, wo die Jungfrau Maria entschlafen sein soll, und die nahe bei der
     Grabeskirche gelegene deutsch-lutherische Erlöserkirche, mit deren Konstruktion man bereits 1893 begonnen hatte. Ihr 45 Meter
     hoher neuromanischer Glockenturm war vom Kaiser selbst entworfen worden. Für eine der Glocken hatte er sogar ein Wort des
     Propheten Jesaja als Aufschrift ausgewählt: »Tröstet, tröstet mein Volk und redet mit Jerusalem
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