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Ein verhaengnisvoller Winter

Ein verhaengnisvoller Winter

Titel: Ein verhaengnisvoller Winter
Autoren: Daniela Frenken
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Prolog
     
     
    Essen 194 9
     
    Das schreckliche Heulen der Sirenen riss Josefine aus ihrem Schlaf. Mit klopfendem Herzen setzte sie sich auf  und versuchte, im Dunkeln irgendetwas zu erkennen. Sie hatte ein flaues Gefühl im Bauch, wie immer, wenn sie dieses furchtbare Geräusch hörte, denn sie wusste nur zu gut, was es bedeutete. Fliegeralarm! Warum hatte Mama sie nicht geweckt? Schon hörte man das Dröhnen der Bomber. Sie würden es nicht mehr bis zum großen Bunker ein paar Straßen weiter schaffen. Jetzt mussten sie in dem kleinen, selbstgebauten Bunker in ihrem Garten Zuflucht suchen. „Irene!“, rief Josefine, während sie aufsprang, „schnell, steh auf!“ Als sie keine Regung vernahm, starrte sie angestrengt durch das Dunkel auf das Bett auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Nichts rührte sich. „Irene! Wach auf!“, schrie Josefine durch das heulen der Sirenen, das Dröhnen der Flieger und das laute Getöse der Flak. Sie wollte gerade zum Bett ihrer Schwester eilen, als ein ohrenbetäubendes Krachen das ganze Haus zum Erbeben brachte. Josefine schrie entsetzt auf und rollte sich zu einer Kugel zusammen, als das Fenster über dem Bett ihrer Schwester zersplitterte. Sie schrie noch einmal verzweifelt auf. Eine Bombe hatte das Haus getroffen, jetzt würden alle sterben. Ihr Haus würde dem Erdboden gleichgemacht, wie so viele andere in der Stadt auch. Josefine kniff die Augen zusammen. Morgen würde hier nur noch ein Haufen Trümmer liegen und wenn ihre Freundin Rosemarie dann vorbei kam, um sie, Josefine, abzuholen, dann würde sie auf die Stelle starren, wo gestern noch ein Haus gestanden hatte und würde traurig feststellen, dass wieder eine ihrer Freundinnen dem Krieg zum Opfer gefallen war. Josefine wimmerte und wartete auf das Ende. Wo war nur der Rest ihrer Familie? Warum war keiner hier? Sie hätten sie doch nicht zurückgelassen. Verzweifelt kniff sie die Augen zusammen und wartete auf das Zerbersten des Hauses. Doch das Gebäude stürzte nicht über ihr zusammen, sie roch nur das Feuer und den Rauch. Langsam sah sie vorsichtig auf und ängstlich warf sie einen Blick auf das Bett ihrer Schwester. Es war übersät mit Scherben und Trümmern des Fensterrahmens. Sie flackerten im rötlichen Schein der Flammen, die draußen wüteten. Ansonsten war das Bett leer. Josefine atmete auf. Irene hatte nicht in ihrem Bett gelegen. Josefine blickte auf das zertrümmerte Fenster. Etwas hing darin fest. Langsam erhob sie sich und zögernd schritt sie zum Fenster hinüber. Was war das? Vorsichtig kletterte sie über die Trümmer auf dem Bett ihrer Schwester. „Mein Gott“, stieß sie aus. Dieses Etwas war ein Mensch! Der Arm hing halb in ihrem Fenster, als wolle er hineinklettern. „Sind sie schwer verletzt?“ Josefine griff nach der Hand des Mannes und zog, doch sie fiel zurück in die Scherben auf dem Bett. Entsetzt sah sie auf den abgerissenen Arm eines Piloten, der vor ihrem Haus abgeschossen worden war. Josefine ließ die Hand los und schrie. Sie rannte blind hinaus in die Nacht und schrie immer noch. Wann würde das alles jemals aufhören?
    Schwer atmend und nassgeschwitzt fuhr sie aus dem Schlaf hoch. Auch nach Jahren machten ihr diese Träume zu schaffen. Seufzend stand sie auf und machte sich fertig für den kommenden Tag.
     
    Gut gelaunt trug Josefine die Kohlen aus dem Keller. Gleich würde sie sich mit ihrer Freundin Rosemarie treffen und heute Abend würden sie zusammen mit ein paar anderen zum Tanzen gehen. Rosies Bruder würde auch kommen und den fand Josefine mehr als nett. Hätte sie jetzt nur noch die schönen neuen Schuhe, die sie neulich im Schaufenster bewundert hatte, dann wäre alles perfekt. „Tag, Tante Uschi“, ließ Josefine fröhlich verlauten, als sie die Küche betrat. Ihre Mutter saß mit deren Schwester am Essenstisch.
    „Tag, Fine“, schniefte Uschi, während sie sich die Nase putzte. Josefine warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu. Helene Ingermann wedelte ihrer Tochter zur Antwort mit einem Brief zu. „Josefine, ich muss mit dir reden“, sagte sie ernst.
    Beunruhigt ließ Josefine sich ebenfalls auf einem Stuhl nieder. „Was ist denn los?“
    Ihre Mutter legte den Brief vor sich auf den Tisch. „Der Margot geht es gar nicht gut.“
    Josefine warf ihrer Tante einen mitfühlenden Blick zu. „Macht ihr die Schwangerschaft so zu schaffen, Tante?“ Ihre Cousine hatte gleich nach dem Krieg einen Soldatenfreund ihres Bruders geheiratet und wohnte jetzt
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