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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hätten uns statt um Paul mehr um Rainu kümmern müssen. Sie ist der Schlüssel zu den Bäcker-Rätseln.« Der Gouverneur wischte sich über das Gesicht. »Daß wir so etwas vergessen konnten: Anne und Rainu, jede Bäcker-Frau ist eine solche Welt für sich, daß unsere Welt entbehrlich wird. Was nun, Doktor?«
    »Kneifen wir die Augen zu, Exzellenz.« Der Anwalt hob beide Arme. Es war die Geste der Kapitulation. »Frauen wie Anne und Rainu sind für jeden Mann ein Schicksal – mir bleibt nur eins: Bäcker beneiden. Ich tat es vom ersten Blick an, den ich auf Rainu geworfen habe …«
    Sechzehn Tage später, nachdem sie von Papeete aufgebrochen waren, landete ein großer Katamaran auf dem Atoll Katatoki.
    Pater Pierre stand wieder am Landungssteg, neben sich die beiden Papuas mit den Hakenstangen. Vom kleinen Kirchturm läutete die Glocke, und ihr heller Klang mischte sich mit dem Rauschen des Meeres und dem Singen des Windes in den Palmenkronen.
    Als Paul den Landungssteg betrat, war ihm fast feierlich zumute. Er nahm Rainus Hand und half ihr aus dem Boot.
    »Wir sind gekommen, um zu heiraten, Pater«, sagte er ernst. »Trauen Sie einen Mann, der Gott nur im Glanz der Sonne, im Brausen des Sturms und im Toben des Meeres erkennt – und ein Mädchen, das an Geister glaubt und geschnitztes, bemaltes Holz anbetet?«
    »Ihr seid Liebende«, sagte Pater Pierre und nahm Paul und Rainu an den Händen. »Und wo die Liebe ist, ist Gott.«
    Er blickte hinüber zu der kleinen Bambuskirche. Die Tür stand offen. Ein zitternder, aber bekannter Klang drang heraus … jemand spielte ein Kirchenlied auf einem alten Akkordeon. »Wir haben keine Orgel, aber Palopeno hat gelernt, wie man einen Balg hin- und herdrückt. Ich habe euch erwartet. Seit zwei Wochen ist der Äther voll von Funksprüchen. Und ich habe gedacht: Sie haben wenig Zeit. Wenn sie kommen, wollen wir sofort in die Kirche gehen …«
    Kurz darauf knieten sie vor dem armseligen Altar, der mit Blumen geschmückt war. Hinter ihnen spielte der Papua Palopeno auf seinem Akkordeon ein Kirchenlied, dessen Melodie niemand erkannte, aber es waren feierliche Töne, und das genügte, jeder verstand sie und spürte in sich eine heilige Beklommenheit.
    »So seid ihr nun Mann und Frau«, sagte Pater Pierre und legte seine Hände auf Pauls und Rainus gesenkte Köpfe. »Eure Liebe höre nimmer auf, bis daß der Tod euch scheidet …« Dann verließ er die Kirche. Paul und Rainu blieben allein zurück, und er winkte auch Palopeno, mit seiner Eigenkomposition von Kirchenmusik aufzuhören.
    Sie knieten vor dem Altar, die langen Kerzen flackerten im ewig wehenden Wind, und das Bild der ›fremden Frau mit dem Kind auf dem Arm‹ begann wieder zu leben und schien zu lächeln.
    Rainu blickte zu ihr auf. »Ich danke dir …«, sagte sie leise.
    Bäcker sah erstaunt zur Seite.
    »Zu wem sprichst du?« fragte er.
    Rainu lächelte versonnen. »Das verstehst du nicht, Paulo«, sagte sie. »Das verstehen nur Mütter.« Sie erhob sich und zog Paul mit sich hoch. »Laß uns fahren …«
    »Es wird gleich Abend.«
    »Ich habe keine Angst mehr.«
    »Die Nachtgeister …«
    »Du bist bei mir, Paulo …«
    »Rainu!« Er zog sie an sich, sie schlang die Arme um seinen Hals, drückte sich an ihn, und ihre Zärtlichkeit durchströmte ihn, so herrlich und ihn ganz erfüllend, daß sie schon schmerzhaft war.
    »Das Boot liegt bereit«, sagte Bäcker. »Wenn wir die ganze Nacht durchfahren …«
    »Wir werden es … Wer kann uns noch aufhalten?«
    Er nickte, hob sie auf seine Arme und trug sie aus der Kirche. Am Steg schaukelte das weiße Kunststoffboot, der Motor lief bereits. Pater Pierre hielt die Leine fest.
    »Los, einsteigen!« rief er. »Macht, daß ihr wegkommt! Ich fange sonst an zu weinen oder zu predigen. Beides ist fürchterlich.« Und als sie mit knatterndem Motor abstießen, schrie er ihnen nach: »Ich komme euch mal besuchen! Soll das Kind getauft werden?«
    »Wahrscheinlich!« rief Bäcker zurück. »Darin bin ich so altmodisch wie mein Vater!«
    Er lachte, winkte mit beiden Armen, dann gab Rainu, die am Motor saß, Vollgas, und das Boot jagte hinaus auf das gehaßte, geliebte Meer.
    Es war einer jener goldenen Abende, da man am Meer stehen konnte und die Schönheit nicht begriff, in die der Mensch hineingesetzt worden war.
    Bäcker war ans Ufer gegangen, um das Abendessen zu fangen, aber statt mit dem Speer zuzustechen, sah er den silbernen Fischschwärmen und dem Farbenspiel auf den
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