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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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haben nicht die Mittel, uns die neuesten Apparaturen zu leisten. Die Transplantate sind in der Zwischenzeit aber mit Labinol gekühlt worden.«
    »Und wer benutzt Labinol?«
    »Die Regierungskrankenhäuser und einige der Trustkliniken. Doch warum sollten die Unterschenkel stehlen lassen? Sie brauchten uns nur anzurufen.«
    »Und dann würden Sie das gesuchte Ersatzteil abgeben?«
    »Selbstverständlich. Einmal fühlen wir uns durch den ärztlichen Eid verpflichtet, jedermann zu helfen; zum anderen gibt es ein Gesetz, nach dem wir die kommerziellen Kliniken beliefern müssen. Bei uns fällt doch unvergleichlich mehr Material an. Welcher Reiche käme schon auf die Idee, seinen Leichnam für die Entnahme von Ersatzteilen herzugeben? Bei uns aber sterben arme Leute, und viele versuchen, ihren Familien noch etwas zukommen zu lassen, indem sie ihren Körper für Transplantate zur Verfügung stellen.« Professor Paddington seufzte. »Wenn Sie wüßten, wie viele, Tiny! Und nicht nur Sterbende.«
    »Wurde etwas an den Unterschenkeln verändert?«
    »Nichts. Wir haben sie so zurückbekommen, wie sie gestohlen wurden.«
    »Ich meine, ob Sie etwas änderten, wodurch die Transplantate vielleicht an Wert gewannen. Sind es außergewöhnliche oder seltene Typen?«
    »Nicht außergewöhnlich und auch nicht gerade selten. Der erste Unterschenkel war sogar vom häufigsten Typ, mM-1-35, der zweite und der dritte sind in ihrer Art schon ein wenig seltener, mG-1-52 beziehungsweise r.«
    »Würden Sie das freundlicherweise für einen gewöhnlichen Sterblichen übersetzen?«
    »Entschuldigen Sie, Tiny, das kleine m bedeutet männlich, das große M heißt Mittel, das G groß, l heißt links, r rechts; die Zahl gibt die Länge in Zentimetern an. Das heißt, es wurde zuerst ein mittelgroßer Typ gestohlen, danach ein sehr großer, schließlich nahm man statt eines linken einen rechten Unterschenkel.«
    »Vom gleichen Spender?«
    Paddington sah überrascht auf. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Er holte eine Brieftasche hervor, entnahm ihr drei Formulare und studierte sie. »Das sind die Pässe«, erklärte er.
    »Was ich Ihnen eben nannte, ist natürlich nur die Grobklassifikation – Sie haben recht, Tiny. Beide Unterschenkel stammen vom gleichen Spender, sind also immunbiologisch identisch.«
    »Scheint kein rechter Sinn dahinterzustecken, was? Man müßte doch vorher wissen, ob man ein rechtes oder ein linkes Bein braucht.«
    Paddington zuckte mit den Schultern.
    »Wie schwer ist es, bei Ihnen einzubrechen?«
    Paddington erklärte es umständlich. »Bestimmt kein Problem für einen geübten Einbrecher«, schloß er, »aber der Dieb muß sich in der Freezertechnik auskennen, soviel ist sicher.« Paddington goß sich den Rest aus der Dose ein. »Werden Sie den Fall übernehmen?«
    »Glauben Sie, daß die PUBLIC HEALTHFARE mich bezahlen kann?«
    Der Professor druckste. »Ich weiß, Sie sind teuer, Tiny, doch das ist noch das wenigste. Der Aufsichtsrat müßte das Geld bewilligen, und der soll nach Möglichkeit nicht von den Diebstählen erfahren.«
    »Warum nicht?« Timothys Frage kam wie eine gestochene Linke. Paddington zuckte zusammen.
    »Sie wissen doch, wie sehr wir von der öffentlichen Meinung abhängig sind. In vierzehn Tagen ist die Konferenz, auf der unsere Mittel für das nächste Quartal bewilligt werden.« Er schnaufte. »Sie kennen die Kampagne gegen die öffentlichen Institute. Es gibt einen starken Druck, auch noch die letzten Kliniken zu privatisieren. Wenn jetzt bekannt wird, daß es bei uns zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, befürchte ich das Schlimmste.«
    »Ja, glauben Sie, es bleibt geheim, wenn die Polizei daran arbeitet?«
    »Inspektor Hopkins hat es mir versprochen. Er hat die Untersuchungen nur nachts vorgenommen und will die Unterlagen erst weitergeben, wenn der Fall geklärt ist. Er fühlt sich mir verpflichtet, Tiny. Wir haben seiner Frau einen neuen Arm eingepflanzt, den sie sich privat nie hätte leisten können. Und wegen des Geldes – ich denke, meine Ersparnisse werden reichen, Sie für ein paar Tage zu engagieren.«
    »Warum wollen Sie Ihr Geld opfern, Edward?«
    »Warum bin ich Arzt geworden, Tiny?« Paddington nestelte an seiner Schleife.
    »Kann es sein, daß die ganze Angelegenheit ein Manöver der Trustkliniken ist, um die PUBLIC HEALTHFARE zu diskreditieren?«
    »Warum hätte man dann die Transplantate zurückbringen sollen?«
    »Was ist mit Lionell McCall? Wie kommt ausgerechnet der
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