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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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gut.«
    Timothy kannte den Professor nur als einen kühlen, von unerbittlicher Logik kontrollierten Denker, den nichts aus der Ruhe bringen konnte. Jetzt schwitzte Paddington. Das nervös zuckende Gesicht und eine in die Stirn pendelnde Haarsträhne standen in krassem Gegensatz zu der steifen Eleganz des hohen Kragens und der perlengeschmückten elisabethanischen Schleife, die Paddington trug, um seinen künstlichen Kehlkopf zu verbergen.
    »Kommen Sie so schnell wie möglich«, bat er. »Sie müssen mir helfen.«
    »Es ist fast Mitternacht, Edward!«
    »In der Klinik ist eingebrochen worden, bereits zum drittenmal.«
    Timothy schluckte die aufwallende Wut hinunter. Es gelang ihm, nur verwundert zu tun. »Da rufen Sie mich?«
    »Es ist kein gewöhnlicher Einbruch, Tiny, im Gegenteil, etwas für Sie. Hier in der Klinik –«
    »Hören Sie, Edward«, unterbrach Timothy, »ich verlasse das ’Nebraska‹ seit Jahren kaum noch – und schon gar nicht nachts.«
    »Bitte!« Paddington sah so verloren aus, daß Timothy ihn trösten mußte.
    »Gut, erzählen Sie.«
    »Nicht am Apparat. Ich habe Angst. Es ist alles so unheimlich.«
    Timothy überlegte. »Erinnern Sie sich, daß Sie mir vor einem Jahr Material über die Periodation durchgaben? Glauben Sie, daß Sie die Frequenz noch irgendwo haben?«
    Paddington nickte eifrig. »Ich spreche gleich das Wichtigste auf Kristall.«
    Timothy fuhr einen Sessel vor den Communicator und stellte die Frequenz ein. Kurz darauf zeigte ein bläuliches Glühen, daß der Professor sendete.
    Timothy konnte sich zwar nicht vorstellen, was an einem Einbruch in eine Klinik der PUBLIC HEALTHFARE geheimnisvoll sein sollte, aber was es auch war, diese Frequenz konnte niemand entziffern, außer dem Zentralcomputer der Regierung natürlich, der diese Codefrequenz genehmigt hatte. Selbst die Spezialisten der Konzerne hätten eine Weile zu knabbern, ehe sie herausbekämen, welche Phasenverschiebung Timothy benutzte. Falls sie überhaupt auf die Idee kamen, daß jemand im Zeitalter der Superkurzwellen noch nach dem guten alten Prinzip des Herrn Morse arbeitete.
    Natürlich verfügte Timothy auch über einen modernen Frequenzmodulator; ja, wenn jemand das Handwaschbecken im Mausoleum auseinandernehmen würde, das selbst ein Fachmann kaum von einem original Meißner Porzellanbecken aus dem 19. Jahrhundert unterscheiden konnte, er hätte in den isolierenden Porzellanschichten eigenartig verschlungene Muster einer elektronischen Schaltung gefunden und im Knie des Abflußrohres einen Quaserkopf – vorausgesetzt, der eingebaute Nihilator hätte versagt und nicht die ganze Anlage in die Luft gesprengt.
    Doch davon wußten nur Timothy und der Große Bruder, selbst die NSA hatte keine Ahnung, daß es gelungen war, über den Quaserschwingquarz Gespräche zu übertragen.
    Ein leiser Gongschlag meldete das Ende der Übertragung. Der Professor erschien auf dem Bildschirm.
    »Ich höre es mir jetzt an«, sagte Timothy, »und melde mich dann wieder.«
    »Ich möchte lieber warten.«
    »Wo sind Ihre Gedanken, Edward?« Timothy schüttelte den Kopf. »Wenn ich mir die Aufzeichnungen vor eingeschaltetem Apparat anhöre, hätten Sie es mir gleich unverschlüsselt mitteilen können.«
    Paddington wurde rot wie ein Mädchen bei seinem ersten Pornotrip. »Natürlich! Entschuldigen Sie, ich bin völlig durcheinander.«
    Timothy schaltete sich aus und ließ seinen Sessel in das Mausoleum gleiten.
    »Es ist jetzt schon der dritte Fall«, hörte er Paddingtons Stimme. »Der erste Diebstahl geschah am vorigen Sonnabend, und es war purer Zufall, daß ich ihn entdeckte, der zweite am Montag, der dritte heute. Es gibt keine Spuren für einen Einbruch, und die Polizei hält es für einen Studentenulk, aber ich weiß, was ich sage: Es ist Diebstahl. Was wäre das für ein Ulk, den man erst nach Wochen entdeckt! Andererseits, wer stiehlt schon Unterschenkel?
    Das Verrückteste an der Sache: Das am Sonnabend verschwundene Exemplar war am Montag wieder da, dafür verschwand ein anderer Schenkel. Der befand sich heute früh wieder an seinem Platz, nun fehlt ein dritter. Und gerade den wollten wir übermorgen transplantieren. Bei Lionell McCall. Sie haben wahrscheinlich von seinem Unfall gehört. Wir waren so glücklich, daß der Zufall uns McCall als Patienten bescherte. Es könnte uns sehr helfen, wenn er zufrieden ist. Wo soll ich so schnell ein neues Bein hernehmen? Männerschenkel dieser Größe sind denkbar knapp. Bitte, kommen Sie
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