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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt
Autoren: Catherine Coulter
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mehr kann ich mich nicht erinnern.«
    Sherlock sagte: »Also gut. Alle glauben, du hättest noch mal versucht dich umzubringen, weil du damals, nach Beths Tod, diese Tabletten genommen hast, ja?«
    »Denke schon.«
    »Aber wieso?«
    »Na ja, ich war wohl nicht ganz aufrichtig euch gegenüber, aber ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht. Tatsache ist, dass ich in letzter Zeit starke Depressionen hatte. Erst geht’s mir besser, dann, wumm, wieder nach unten. Wurde in den letzten Wochen immer schlimmer. Und wieso? Ich weiß es nicht, aber so war’s. Und dann ist das gestern Abend passiert.«
    Savich zog sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Er ergriff ihre Hand. »Weißt du, Lily, selbst als du noch ein kleines Mädchen warst, hast du dich an einem Problem immer festgebissen, hast nicht locker gelassen, bis du es gelöst hattest. Vater hat das auch immer gesagt, wenn er dir nicht schnell genug Antwort auf eine Frage gab, die dich wirklich brennend interessierte.«
    »Ich vermisse ihn.«
    »Ich auch, Lily. Aber ich begreife immer noch nicht ganz, wie du das mit dem ersten Selbstmordversuch machen konntest. Das passte so gar nicht zu der Lily, die ich kenne. Beths Tod allerdings … das würde jede Mutter, jeden Vater umhauen. Aber jetzt sind sieben Monate vergangen. Du bist klug, du bist begabt, du bist niemand, der den Kopf in den Sand steckt. Diese Depressionen … ich kapier das nicht ganz. Was war da los, Lily?«
    Ernüchtert legte sie die Stirn in Falten. »Nichts war los, es war immer nur dasselbe. Wie gesagt, manchmal in den letzten Monaten, da ging’s mir viel besser, ich hatte das Gefühl, die ganze Welt erobern zu können, doch das verging schnell wieder, und dann wäre ich am liebsten nur den ganzen Tag im Bett liegen geblieben.
    Na ja, und gestern wurde es dann besonders schlimm. Tennyson hat aus Chicago angerufen und gesagt, ich solle zwei von den Tabletten nehmen. Und das hab ich. Also, eins kann ich dir sagen, viel helfen die nicht. Und dann, auf dieser kurvenreichen Straße nach Ferndale – na ja, vielleicht ist da ja wirklich was passiert. Vielleicht bin ich ja gegen diesen Redwood gebumst. Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht.«
    »Ist schon gut. Und, wie fühlt sich dein Kopf jetzt an?«, fragte Sherlock, die auf der Bettkante saß und nun ein bisschen näher zu Lily hinrutschte.
    »Nicht mehr ganz so benebelt wie zuvor. Na ja, jetzt wo nicht mehr so viel Morphium in mir rumschwappt, komme ich wohl wieder zu mir.«
    »Und, bist du deprimiert?«
    »Nö. Ich bin sauer, hauptsächlich wegen dieses blöden Psychiaters, den sie mir auf den Hals gehetzt haben. Ein schrecklicher Typ, spielt den ach so Verständnisvollen und ist in Wahrheit ein arrogantes Arschloch.«
    »Bist ihm wohl frech gekommen, was, Babe?«
    »Kann sein. Ein bisschen.«
    »Freut mich«, sagte Sherlock. »Warst in letzter Zeit sowieso viel zu brav, finde ich.«
    »O nein.«
    »Was?«
    Aber Lily sagte nichts weiter, blickte nur an den beiden vorbei zur Tür.
    Savich und Sherlock drehten sich um und sahen ihren Schwager, Tennyson Frasier, hereinkommen.
    Savich dachte: Lily will ihren Mann nicht sehen.
    Was ging da vor? Vor sieben Monaten, ein paar Wochen nach Beths Beerdigung, war Lily heim nach Maryland gekommen, um eine Weile bei ihrer Mutter zu bleiben. Savich hatte in dieser Zeit Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, hatte jeden Stein umgedreht, alles versucht, um rauszukriegen, wer Beth überfahren und dann Fahrerflucht begangen hatte. Ohne Ergebnis. Nichts. Und dann war Lily wieder nach Hemlock Bay zurückgekehrt, zu ihrem Mann, der sie liebte und brauchte und – ja, es ging ihr wieder besser.
    Es war ein Fehler gewesen, sie dorthin zurückgehen zu lassen, dachte Savich, und den würde er kein zweites Mal machen. Diesmal würde er sie nicht im Stich lassen.
    Savich richtete sich auf, als Tennyson mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam. Während er Savich eifrig die Hand schüttelte, sagte er: »Junge, Junge, ich bin vielleicht froh, euch zu sehen. Vater hat gesagt, dass er euch mitten in der Nacht angerufen hat.« Dann hielt er inne und schaute Lily an.
    Sherlock rührte sich nicht von der Bettkante, sondern sagte lediglich: »Schön, dich zu sehen, Tennyson.« So ein gut aussehender Mann, so groß und stark, und im Moment sah er aus, als würde er sich die größten Sorgen um seine Frau machen. Warum wollte Lily ihn nicht sehen?
    »Lily, geht’s dir gut?« Tennyson trat mit ausgestreckter Hand ans Bett.
    Lily
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