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Wer nach den Sternen greift

Wer nach den Sternen greift

Titel: Wer nach den Sternen greift
Autoren: Barbara Bickmore
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zurückgebundene Gardinen, und das Haus wirkte solide, als ob es schon seit dreißig Jahren auf seinem Platz stünde, seit der erste Phelps durch das Land gezogen war, was damals wegen der Indianer noch gefährlich gewesen war. Jetzt, 1877, war Kansas bereits seit Jahren sicher. Oben in Montana und Wyoming plagten die Indianer die Siedler immer noch, aber Kansas war schon lange sicher. Seine eigenen Eltern waren hier bereits seit Mitte der fünfziger Jahre angesiedelt. Seinem Vater war es beinahe schon zu voll hier, aber seine Mutter hatte gerne Nachbarn, andere Frauen, mit denen sie quilten, die Kranken versorgen und Rezepte austauschen konnte. Annie mochte das auch. Sie konnte genauso gut Apfelkuchen backen wie ihre Mutter, und sie war immer die Erste, die erschien, wenn jemand krank war. Schon als Mädchen hatte sie auf die Babys aufgepasst oder für die Männer gekocht, wenn die Frauen krank wurden. Was Annie jedoch nicht hatte, waren schöne Kleider, und dabei hätte sie doch so gerne welche aus einem richtigen Geschäft.
    Aber Frank wollte mehr. Er wollte in die Stadt. Er wollte hohe Gebäude sehen, und Annie sollte schöne Kleider tragen, eines für jeden Tag der Woche. Und er würde sich einen Anzug zulegen. Auch Ethan trug bei der Arbeit Anzüge, aber in einer Bank wollte Frank nicht arbeiten. Das würde ihn verrückt machen. Allerdings wusste er nicht so ganz genau, was er eigentlich mit seinem Leben anfangen wollte. Nur eines hatte er sein ganzes Leben lang gewusst: Farmer wollte er nicht werden. Das hatte er seinem Vater gestern Abend auch gesagt. Sein Vater war traurig darüber, weil er eigentlich einem seiner Söhne die Farm hatte hinterlassen wollen, und jetzt zeigte keiner von ihnen Interesse. Aber er hatte nur genickt.
    »Nun«, hatte er gesagt und seine Pfeife angezündet, »ich kann nicht behaupten, dass es eine Überraschung ist. Aber du sollst wissen, dass hier immer dein Zuhause ist.«
    »Frag Annie nicht sofort, ob sie mit dir gehen will«, hatte seine Mutter ihm geraten. »Hol sie erst nach, wenn du eine Arbeit hast.« Sie hatte immer gewusst, dass Frank eines Tages weggehen würde. Es lag ihm nicht, von früh bis spät auf der Farm zu schuften, sieben Tage in der Woche morgens im Dunkeln die Kühe zu melken und mühsam zu säen, zu pflanzen und zu ernten. Und das alles in der Einsamkeit von Hillsboro. Der Himmel wusste, dass er hart arbeiten konnte, davor hatte er sich nie gescheut, aber seine Augen blickten in die Ferne, vor allem, wenn es Frühling wurde, die fruchtbare braune Erde auf die Saat wartete, wenn alles grün wurde, der Flieder blühte und sein schwerer Duft die Luft erfüllte. Dann sah seine Mutter diesen Ausdruck in seinen Augen. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass das Land ihn nicht für immer halten konnte, und sie hatte sich nur gewundert, dass er gewartet hatte, bis er einundzwanzig Jahre alt war. Aber andererseits hatte er sich seiner Familie natürlich immer verbunden gefühlt, und so wartete er, bis er volljährig war, damit seine Schuldgefühle nicht ganz so groß waren.
    Ethan war der Sohn, auf den sie als Eltern immer hatten stolz sein können. Er machte ohne Probleme seinen Schulabschluss, und er war vermutlich nicht einen einzigen Tag in die Schule gegangen, ohne seine Hausaufgaben erledigt zu haben. Er hatte ein Verhältnis zu Zahlen wie Frank zu Tagträumen. Frank hatte mit sechzehn Jahren die Schule verlassen, und es hatte keinen Sinn, ihn zu etwas zu zwingen, was ihm keinen Spaß machte. Er hatte nichts übrig für Mathematik und Grammatik. Was er mochte, war Geographie, weil es ferne Länder bedeutete, und er las gerne Gedichte. Sie hatte den Verdacht, dass er oben in seinem Dachzimmer selbst welche schrieb. Er war völlig unpraktisch, aber als Mutter hatte sie eine Schwäche für ihn. Er war ihr Liebling, und er war auch der einzige Mann im Haus, der sich um ihr Wohlergehen kümmerte. Er hackte Holz, wenn er sah, dass das Feuerholz zur Neige ging, und er trug ihr nicht nur den Wäschekorb, sondern er stellte sich auch hin und hängte die Wäsche an die Leine. Sie kannte keinen anderen Mann, der das für eine Frau tat.
    Und sein Lächeln, oh, sein Lächeln war unwiderstehlich. Irgendwo hatte sie einmal gehört, dass jemand, der Charme hatte, sich etwas Kindliches bewahrte. Und so war Frank. Er strahlte Charme aus jeder Pore aus, dachte immer nur das Beste von den Leuten, und Freundlichkeit war seine zweite Natur.
    Er würde ihr sehr fehlen. Als er ihnen
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