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Wer nach den Sternen greift

Wer nach den Sternen greift

Titel: Wer nach den Sternen greift
Autoren: Barbara Bickmore
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aber Annie putzte und räumte um, und dann schickte sie Erickson und Frank los, um eine Kuh und zwei Dutzend Hühner zu kaufen. Sie mussten bis nach Denver fahren, um die Kuh zu besorgen, und ob sie die Hühner gestohlen hatten, erfuhr Annie nie. Frank baute jedenfalls ein Hühnerhaus hinter dem Hotel, und die Kuh stellten sie im Pferdestall unter, und Annie begann mit ihrem Geschäft. Sie berechnete ein wenig mehr für die Mahlzeiten als im Camp, einen Dollar für die warme Mahlzeit, einschließlich Kaffee und Kuchen, und fünfzig Cent für das Frühstück, und da alle Einwohner von Leadville, insgesamt hundertsechs Personen, alle Mahlzeiten im Saloon einnahmen, hatte sie das Gefühl, so viel Geld zu haben, dass sie Erickson eine Beteiligung von zehn Prozent an den Einnahmen anbot. Staunend akzeptierte er und erklärte, dafür könnten sie bei ihm umsonst wohnen.
    Mehl, Zucker und Kaffee waren nicht billig, denn Frank musste mehrere Male in diesem Winter über die verschneiten Pässe nach Denver fahren, um Nachschub zu kaufen. Fleisch hingegen hatten sie reichlich, da er und auch ein paar andere Männer im Ort Wild, Wildvögel und Kaninchen schossen. So gut hatte lange niemand mehr in Leadville gegessen, und als der Winter vorbei war, hatten sie nach Abzug aller Unkosten achtzehntausend Dollar eingenommen.
    Im März juckte es sie beide in den Fingern, wieder in die Berge zu gehen. Frank wollte endlich Gold finden, und Annie wollte nicht mehr kochen. Das sagte sie Frank allerdings nicht.
    »Wir haben genug Geld«, sagte Frank eines Abends im März, noch bevor der Schnee angefangen hatte zu schmelzen. »Lass uns irgendwo hingehen, wo nicht Dutzende von anderen sind, mit denen wir teilen müssen, falls wir Gold finden.«
    Er wartete auf Annies Antwort, aber sie war zu müde, um etwas zu sagen.
    »Du musst nicht mehr kochen, nur noch für uns zwei. Unser Geld reicht auf Jahre hinaus.«
    »So viel Geld hätten wir in Kansas ein Leben lang nicht sparen können«, erwiderte Annie.
    Er sah ihr an, wie erschöpft sie war. »Wir gehen diesen Sommer irgendwohin, wo wir ganz allein sind«, schlug er vor. »Wir haben so viel Geld, dass wir gar nicht wissen, was wir damit tun sollen. Koch diesen Sommer mal nur für mich, irgendwo, wo sonst niemand ist. Wenn wir dann Gold finden, kann es uns auch keiner neiden.«
    Annie wusste tief im Innern, dass sie nie Gold finden würden, aber die Vorstellung, mit Frank allein irgendwo zu sein, gefiel ihr. Lächelnd blickte sie ihn an. »Frank, das ist eine wundervolle Idee.«
    Also machten sie sich am einundzwanzigsten April des Jahres 1878 mit ihrem Pferd und den zwei Mauleseln, die sich den ganzen Winter über ausgeruht hatten und fett geworden waren, auf den Weg, nach einer Landkarte, die jemand für Frank gezeichnet hatte. Es war ein Mann mit nur einem einzigen Zahn gewesen, der gesagt hatte, einen so guten Kuchen wie bei Annie habe er noch nirgendwo gegessen. Den ganzen Abend über hatte er mit Frank an der Bar gesessen und ihm anvertraut, die Indianer hätten ihm erzählt, oben in den Bergen, wo die Pfade sogar für ein Maultier zu schmal seien, gäbe es viel glänzendes Zeug. Er selbst hätte sein Glück schon gemacht und wäre jetzt auf dem Rückweg nach Ohio, um dort eine Frau und einen Zahnarzt zu finden, oder vielleicht auch andersherum, und deshalb könne Frank die Karte, wo die Stelle eingezeichnet war, haben.
    Frank steckte das Stück Papier ein und vergaß es, bis er seine Taschen leerte, weil seine Hose gewaschen werden sollte. Annie schlief schon, und so setzte er sich hin und studierte die Karte. Das machte er in den nächsten drei Monaten jede Nacht, bis er sie sich so gut eingeprägt hatte, dass er den Weg im Schlaf wusste. Er sagte sich zwar, dass er mehr Verstand haben sollte, als einem betrunkenen Mann mit nur einem Zahn und blutunterlaufenen Augen zu glauben, der behauptete, diese Karte von den Indianern bekommen zu haben, aber er träumte Tag und Nacht davon.
    Zwei Wochen lang zogen Annie und Frank in jenem Frühjahr über Bergpfade, die wahrscheinlich noch nie ein Mensch beschritten hatte. Um sie herum herrschte eine Stille, die Annie unheimlich war, aber sie ließ sich nichts anmerken. Langsam begann der Schnee zu schmelzen, aber da sie meistens an der Nordseite der Felsvorsprünge entlangmarschierten, lag er noch hoch.
    Am Anfang der zweiten Woche, am achten Mai, um genau zu sein, um Viertel nach zehn Uhr morgens, stiegen sie gerade einen schmalen Weg hoch, Frank
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