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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman
Autoren: Picus-Verlag
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zehnjährigen Norbert über den Tod seiner Mutter zu informieren. »Ein tragisches Unglück, welches in ihrem Tod resultierte, hat er geschrieben, Kreisky, sag ich zu ihm. Nur ein Schwein kann so einen gemeinen Satz einem Zehnjährigen schreiben, oder? Der Probodnig ist von allen Pichlbergern der größte Ungustl gewesen, wirklich wahr. Der Pfarrer, unser Geistlicher, wie er sich selbst nannte, war immer der falscheste Hund, Kreisky. Was er vorher in der Kirche verschwiegen hat, ist dann nach der Kirche im Wirtshaus bis ins kleinste Detail besprochen worden. Jedes Unglück, das der Pfarrer immer nur so genannt hat, nie bei dem Wort, das es in Wirklichkeit genau beschrieben hätte, hat er nach der Messe auf peinliche Art breitgetreten. Zur Belustigung der Wirtshausbesucher natürlich, denen nichts mehr getaugt hat als das Unglück anderer Leute. Und je näher sie die Person gekannt haben, desto größer ist ihre Freude gewesen. Ihre Schadenfreude, wie man so schön sagt, Kreisky, wirklich wahr.«
    Für den Pfarrer Probodnig waren es immer nur tragische Unglücke, obwohl es sich bei den meisten dieser tragischen Unglücke nicht einmal um welche handelte. Ein Unglück beschreibt ja logischerweise etwas, für das jemand, dem dieses Unglück zugestoßen ist, wie es ja schon in diesem Zusammenhang eindeutig heißt, gar nichts kann. Dass er an diesem Unglück nicht die geringste Schuld hat. Dass es quasi eine schicksalhafte Fügung ist, dieses Unglück. Bei den meisten Pichlbergerischen Unglücken war das aber überhaupt nicht der Fall. Diese Unglücke stießen in Wirklichkeit den wenigsten einfach nur so zu. Deshalb hat der Norbert gleich von Anfang an gewusst, als er den Brief des Pfarrers zum ersten Mal las, dass es sich in Wirklichkeit um gar kein echtes Unglück hat handeln können. Gleich hat er gewusst, dass jemand anderer schuld war am Tod der Mutter und dass dessen Schuld in ihrem Tod resultiert hat und nicht irgendein vom Pfarrer erfundenes tragisches Unglück. Die meisten dieser tragischen Unglücke, die im Tod des betreffenden Menschen resultierten, waren in Wirklichkeit gar keine Unglücke. Mord aus Eifersucht, unterlassene Hilfeleistung, durch Trunkenheit am Steuer verursachte Verkehrsunfälle, unter Alkoholeinfluss verübter Totschlag wurden diese mutmaßlichen Unglücke in den Zeitungen immer genannt. Diese bei den Pichlbergern aber als harmlos gehandelt wurden, mutmaßliche Kavaliersdelikte waren in ihren Augen. Nicht zu vergessen natürlich die Selbstmorde. Die Hitliste der tragischen Unglücke des Pfarrers Probodnig führte eindeutig der Freitod an. Waren die meisten Pichlberger Bauern, aber auch die Pichlberger im Allgemeinen, die einfallslosesten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen kann, die außer der Arbeit, dem Kirchgang und dem übermäßigen Konsum von Alkohol in den Wirtshäusern, dem beliebten Kampftrinken und den danach praktizierten Raufhändeln, sonst überhaupt nichts mit ihrem Leben, sich selbst und ihren Familien anzufangen wussten, entfaltete sich in ihren Gehirnen plötzlich eine unglaubliche Kreativität, sobald es darum ging, sich selbst umzubringen. Beim Selbstmord entwickelten sich die Pichlberger plötzlich zu wahren Künstlern. Zu geistig nur so sprühenden Genies quasi. Über dieses Kunstwerk wurde in der Kirche niemals auch nur ein Wort verloren vom Pfarrer Probodnig. Erst nach der Messe und nach dem fünften Bier hat er allen, die es wissen wollten, genauestens die angewandte Praxis des sich selbst Umgebrachten erzählt. Auch hat er sich nicht gescheut, diese Details im Beisein der Angehörigen des Verunglückten auszubreiten, bei dem an das Begräbnis anschließenden Leichenschmaus meistens, zu dem der Pfarrer von der Familie eingeladen wird traditionellerweise. Hat sich auf deren Kosten die Wampe vollgeschlagen. Sich mit ihrem Geld einen Rausch angesoffen, auf für diesen Anlass unappetitliche und skrupellose Weise. Und das natürlich mit dem teuersten Wein, den der Wirt in seinem Keller liegen hatte. Ungeniert sind von ihm vor den Augen der Familien die Weine durchprobiert worden. Bevor er den teuersten auswählte, von dem er bereits wusste, dass er der teuerste war, weil er natürlich den Wirt vorher gefragt hatte, heimlich. Im Rausch hat er den Angehörigen ins Gesicht gesagt, leider Gottes kann Ihr Sohn nicht in den Himmel kommen, weil wie Sie ja sicher wissen, der Selbstmord eine Todsünde vor dem Herrn ist. »Eine Todsünde vor dem Herrn, hat er gesagt, Kreisky.
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