Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt
Autoren: Mechthild Lanfermann
Vom Netzwerk:
auffordern, das Gebäude zu verlassen. Aber noch war alle Aufmerksamkeit bei dem Kommissar und den Fernsehkameras, die ihn umringten.
    Ihr Gefühl sagte ihr, dass mehr hinter der Geschichte steckte als ein tragischer Todesfall. Sie kannte sich nicht aus mit den Gepflogenheiten der Hauptstadtpolizei, aber dieses Aufgebot an Beamten erschien ihr selbst bei einem prominenten Toten zu groß.
    Was war mit Rosenberg passiert?
    Unbemerkt durchquerte sie den Saal. Sie folgte den Schildern. Die Toiletten waren in einem beige gestrichenen Nebengang untergebracht. Emma schaute sich um. Ein Mann um die sechzig mit gerötetem Gesicht war ihr gefolgt und drückte nun die Tür zur Männertoilette auf. Als er verschwunden war, schlüpfte sie durch eine Brandschutztür, die hinter ihr laut ins Schloss fiel.
    Sie stand in dem Treppenhaus, auf das die Notausgänge zuliefen. Es roch nach Farbe und feuchtem Beton. Neben dem Lastenaufzug hing ein Grundriss des Gebäudes mit allen Ausgängen. Der Bürotrakt war hufeisenförmig angelegt. In jedem Stock war ein Zugang zum Treppenhaus, in dem sie sich gerade befand. Schnell lief sie eine Etage höher. Vergeblich rüttelte sie an der Türklinke. Aber dann hatte sie Glück. Im vierten Stock war die Tür unverschlossen. Sie betrat einen menschenleeren Flur. Emma nahm ihr Aufnahmegerät aus der Tasche, zog das kleine Mikrofon auf den Finger, stellte die Aufnahme auf Pause und steckte den Kopfhörer seitlich auf, so dass sie mit einem Ohr die Aufnahme, mit dem anderen die Geräusche ringsherum hören konnte. Sie ging schnell durch die nüchternen weißen Gänge. Alles war neu, schlicht und funktional. Keine Plakate, kein Graffiti, kein vergessener Schirm auf den chromblitzenden Garderobenhaken. Probehalber zog Emma ein paar Bürotüren auf. Sie waren unverschlossen, die meisten Räume waren noch nicht bezogen. Manchmal stand bereits ein Tisch oder ein Rollcontainer dort. Niemand war zu sehen oder zu hören, nur das Quietschen ihrer Schuhe und ihr Atem, der durch die Mikrofonaufnahme verstärkt an ihr Ohr drang. Wieder kam sie an einem Treppenhaus vorbei. Sie zog die Tür auf und lief die Stufen hinunter. Im dritten Stock das gleiche Bild, ein weißer Gang, Bürotüren ohne Namensschild und Ausstattung. Noch eine Treppe. Sie ging schnell und horchte auf die Geräusche. Vor ihr machte der Gang eine Kurve und führte in den rückwärtigen Teil des Gebäudes. Sie hörte Stimmen. Sofort drückte sie eine Klinke herunter, schlüpfte in ein Büro und schloss die Tür lautlos hinter sich. Auf dem Gang gingen Männer entlang, der eine sagte etwas, ein anderer brummte zustimmend. Emmas Herz schlug schnell, ihr Mund war trocken.
    Leise öffnete sie wieder die Tür und betrat den Flur. Sie hielt sich eng an der Wand und schaute vorsichtig um die Ecke. Als Erstes sah sie das weiß-rote Absperrband. Dann die Tür. Sie war von außen aufgebrochen worden, Emma erkannte Lackspuren und zersplittertes Holz. Zwei Männer in den weißen Anzügen der Spurensicherung waren am Tatort, der eine machte Fotos, der andere sammelte mit der Pinzette etwas von der Innentür und legte es in eine Tüte. Ein Handy klingelte, der Fotograf griff in die Tasche seines Kittels und hielt das Telefon ans Ohr.
    »Ja?«
    Dabei trat er einen Schritt in das Zimmer und ließ Emma nun die volle Sicht.
    Kreidestriche markierten, wo die Leiche gelegen hatte. Auf dem Boden lagen die durchnummerierten Klebebänder der Kriminaltechnik. Daneben einzelne Nummernschilder an Fundorten von Faserspuren.
    »In Ordnung. Wir sehen uns im Labor.«
    Der Fotograf klappte sein Handy zu und ließ es wieder in seiner Kitteltasche verschwinden.
    »Sie bringen das Jackett mit.«
    Der andere brummte nur zustimmend.
    »Und der Chef kommt gleich noch mal hoch.«
    »Warum das denn?«
    »Der Typ hat hier heute seinen Job aufgegeben. Das hat er von einem Zettel abgelesen, und den hat der Chef in der Jacke gefunden. Wir sollen uns den Wisch mal angucken.«
    »Wieso, was ist denn damit?«
    »Sieht so aus, als hätte er den nicht selbst geschrieben. Der konnte nämlich kein Deutsch.«
    Emma lehnte sich vor. Jetzt konnte sie den Raum überblicken. Sie sah einen kleinen Rollcontainer und einen Jackenständer. Aus dem Rollcontainer war eine Schublade herausgerissen worden, sie lag mit verbeulter Ecke auf dem Boden. Eine Schreibtischlampe lag daneben.
    Erst jetzt registrierte Emma den strengen Geruch. Fieberhaft überlegte sie, woran er sie erinnerte. Und dann wusste sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher