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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt?
Autoren: Stefan Wolf
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eigene Faust zu handeln?
    Tim beschloß, abzuwarten.
    Er zog leichte Trainingssachen
an, trank im Waschsaal ein Glas Wasser und sprang die Treppen hinunter.
    Niemand begegnete ihm. Im
Speisesaal klapperten die Küchenmädchen mit Geschirr und Absätzen. Die Luft im
Pausenhof kündete einen heißen Tag an.
    Tim lief zum Sportplatz, drehte
ein paar Runden zum Aufwärmen, übte dann Karate-Katas ( Formen ) neben der
Aschenbahn. Abschließend pumpte er viele Liegestütze auf den Knöcheln der
geschlossenen Faust und benutzte die Steinstufen des Pavillons als Unterlage.
    Beim Duschen hatte er im
Waschsaal viel Gesellschaft. Aber Klößchen pennte noch immer.
    An Sams- und Sonntagen mußte
niemand frühstücken. Wem aber der Magen knurrte, der hatte zwischen 7.30 Uhr
und 10 Uhr freie Wahl. Tim setzte sich im Speisesaal hinter einen Pfeiler, weil
er mit niemandem reden wollte, trank seinen Tee und nagte lustlos an einem gebutterten
Vollkornbrot. Im Lesezimmer lagen schon einige Exemplare der heutigen
Tageszeitungen aus. Tim vertiefte sich in den politischen Teil.
    Daß es in der
lateinamerikanischen Bananenrepublik K. zur Zeit schaurig zugehe, las er. Das
derzeitige Regime ( diktatorische Regierung) unterdrücke alle
demokratischen Strömungen mit brutaler Gewalt, werde daher angefeindet von der
Weltöffentlichkeit. Der Machthaber an der Spitze, ein gewisser General
Fuentedos — genannt ,stählerne Eidechse’ — sei nach Europa abgereist in einer —
angeblich — privaten Angelegenheit.
    Tim las das also, um nicht
dauernd an seinen eigenen Schlamassel denken zu müssen, und prägte sich
nebenbei den Spitznamen ,stählerne Eidechse“ ein. Nicht ahnend, welche fatale
Bedeutung dieser General Fuentedos schon bald für ihn haben würde.
    Ab halb zehn saß Tim im
ADLERNEST herum, mal auf dem Bett, mal auf einem der beiden Stühle, während
Klößchen im Speisesaal Kakao in sich hineinschüttete und Buttersemmeln
vertilgte.
    Um 10.20Uhr stand Dr. Greiner,
der heutige EvD, auf der Schwelle und schickte Tim zum Direktor.
    Dr. Freund thronte hinter
seinem Schreibtisch und zwängte sich Strenge ins Gesicht.
    Hängebauch lümmelte in einem
der Sessel, lümmelte aber nicht wirklich, hatte nur seinen Bauch auf den Knien
und den Oberkörper zurückgebogen, weshalb der Eindruck von unangebrachter
Lockerheit entstand.
    „Setz dich, Tim!“ sagte Dr.
Freund. „Du weißt, worum es geht. Die Tatsachen sind bekannt. Ich unterstelle,
daß es wirklich um dein Rennrad ging. Ist das richtig?“
    „Ich schwöre, Herr Direktor,
daß es um mein Rennrad ging. Ich hatte es nicht an der Außenmauer versteckt,
wie Herr Dr. Volgsam vermutet. Auch sonst nirgendwo. Ich bin in die Stadt
gejoggt — ich wollte wirklich nur verhindern, daß ich mein Rad verliere.“
    Und daran, dachte Tim, ist kein
Wort gelogen. Man kann also die Tatsachen umschminken, indem man ein bißchen
was wegläßt.
    Dr. Freund blickte auf seine
Armbanduhr unter der weißen Hemdmanschette, klopfte mit dem silbernen
Brieföffner auf die Schreibunterlage und quetschte ein paar zusätzliche
Strenge-Falten auf die breite Stirn.
    „Du bist hochintelligent.
Deshalb muß ich dir über die Hausordnung — und wie wir sie anwenden — nichts
erzählen. Daß du dir in gewisser Weise Verdienste erworben hast, zählt in diesem
Zusammenhang nicht. Das mindeste, was ich dir für deine Verfehlung ausspreche,
ist ein scharfer Verweis. Das tue ich hiermit. Und ich füge hinzu: Wenn sich
etwas Ähnliches wiederholt, mußt du die Schule verlassen.“
    Gerettet!
    Tim bemerkte die Unzufriedenheit
auf Hängebauchs Bleichgesicht. Der hätte anders entschieden.
    „Wir werden deine Mutter über
diesen Vorfall schriftlich verständigen“, sagte der Direktor. Dann war Tim
entlassen.
    Er rannte in den Speisesaal.
    „Na also“, meinte Klößchen
erfreut. „Damit ist ja alles in Butter.“
    „Nichts ist in Butter. Der
Gnadenakt rettet mich nur vorläufig. Aber was ist, wenn wir an einem
brandheißen Fall rumdoktern, der uns dazu zwingt, daß wir nachts mit der
Strickleiter abhauen? Hängebauch platzt vor Freude der Wanst, wenn er im
Adlernest leere Betten entdeckt.“
    „Die nächsten Fälle für TKKG“,
Klößchen griff nach einer Semmel mit Erdnußbutter, „dürfen sich eben nur bei
Tag abspielen. So einfach ist das.“
    „Dein schlichtes Gemüt macht
mich lachen. Jetzt muß ich meine Mutter anrufen. Das hatte ich ohnehin mit ihr
verabredet. Punkt elf. Eigentlich wollte ich nur erzählen, daß
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