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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt?
Autoren: Stefan Wolf
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ich in Mathe
eine Eins habe. Statt dessen mache ich ihr wieder mal Kummer.“
    „Deine Mutter versteht das
doch. Sie zittert zwar um dich, wenn du heiße Eisen ausgräbst. Aber sie weiß,
daß du dich einfach nicht zurückhalten kannst.“
    „Trotzdem! Kummer ist Kummer.
Bis gleich.“
    Tim marschierte zur
Besenkammer, wie die Telefonzelle im Parterre-Flur des Haupthauses heißt. Dort
roch die Luft nach irgendwem aus der Oberstufe, denn die jüngeren Schüler
benutzen kein Rasierwasser.
    Tim nahm das Münzgeld heraus,
das die rechte Hosentasche nach unten zog, fütterte den Zahlschlitz und wählte.
Ein bißchen Herzklopfen. Teils aus Freude, gleich die Stimme seiner Mutter zu
hören. Teils, weil er erklären mußte, wie er jetzt auf dem Pulverfaß saß.
    ...sechstes Läuten, siebtes...
Susanne nahm nicht ab. Verwählt?
    Tim probierte es nochmals und
achtete auf jede Zahl, die er drückte. Wieder nur Schweigen im Walde.
    Hatte sie vergessen, daß er
anrufen wollte? Unmöglich.
    Er tigerte umher, traf im
Pausenhof auf Hängebauch und wollte an ihm vorbei.
    Dr. Volgsam hielt ihn zurück.
    „Du hast noch mal Glück gehabt,
Carsten, weil der Herr Direktor bisweilen sehr gutmütig ist. Aber ich
versichere dir, daß ich dich ab sofort im Auge behalte.“

    „Ist Ihr erster Satz, Herr
Studienreferendar, als Kritik an Herrn Dr. Freund zu verstehen?“
    „Was? Nein! Werd nicht
unverschämt! Ich will damit sagen, daß du diese Güte nicht verdienst.“
    „Also hat der Herr Direktor
nicht richtig gehandelt?“
    Grüne Augen glitzerten hinter
den Brillengläsern. Hängebauch leckte durch seinen linken Mundwinkel, drehte
sich um und stakte zum Pauker-Silo, der weißverputzten Wohnwabe.
    Feinde fürs Leben, dachte Tim.
Bei dem kann ich nichts mehr gewinnen. Aber seine Referendarzeit ist ja jetzt
um. Hoffentlich wird er versetzt — am besten nach Südafrika.
    Er lief zur Besenkammer und
versuchte wieder, seine Mutter anzurufen. Vergeblich.
    Um 11.35 Uhr unternahm er den
dritten Versuch, um 12 Uhr wählte er abermals. Nichts. Er verstand das nicht.
Seine Mutter war absolut zuverlässig. Noch nie hatte sie ein verabredetes
Telefongespräch mit ihm versäumt.
    Ist sie krank? überlegte er.
Beim Arzt? Im Krankenhaus? Ein Unfall?
    Plötzlich fühlte er sich
beklommen, und die für ihn typische Tatkraft und Fröhlichkeit wurde
weggeschoben von einer unbestimmten Furcht.
    Er rannte ins ADLERNEST hinauf,
wo Klößchen auf dem Bett lag, Schoko knabbernd. Er hielt sich ein Buch vor die
Nase, einen Liebesroman aus dem 17. Jahrhundert, den er sehr komisch fand.
    „Was ‘n los?“ fragte er, als
Tim in seinem Schrank wühlte.
    „Ich suche mein Notizbuch.
Wegen Tante Marions Telefonnummer.“
    „Tante Marion?“
    „Sie ist nicht wirklich meine
Tante. Ich nenne sie so, weil sie seit zehn Jahren Susannes beste Freundin
ist.“
    „Ach so, die.“
    „Seit einer Stunde versuche
ich, meine Mutter zu erreichen.“
    „Heute ist Samstag. Sicherlich
macht sie Einkäufe.“
    „Nicht, wenn wir 11 Uhr als
Anruf-Termin vereinbart haben.“
    Tim fand sein Telefonbuch und
jagte wieder zur Besenkammer hinunter.
    Marion Thebes, die er sehr
mochte, war zu Hause — in seiner fernen Heimatstadt — und meldete sich sofort.
    „Hier ist Tim. Tante Marion. Grüß dich!“
    „Tim. O Gott! Ich wollte dich schon anrufen.“
    Eine eisige Hand schien ihm
über den Rücken zu streichen. Also doch! Es war was passiert.
    „Ist was mit Susanne? Ich kann
sie nicht erreichen. Obwohl wir vereinbart hatten, daß ich mich um 11 Uhr
melde.“
    Die Freundin seiner Mutter
schien tief durchzuatmen. In Gedanken sah er Marion Thebes vor sich. Ende
Dreißig, also etwas älter als Susanne, hübsch, mit kecker Nase und rotem Haar.
Sie hatte Kunstgeschichte studiert, mit dem Magister abgeschlossen und
unterrichtete an der Volkshochschule. Mit ihren Männern hatte Marion kein
Glück. Von ihrem ersten war sie vor mehr als zehn Jahren geschieden worden, der
zweite — ein hoher Regierungsbeamter — ertrank beim Baden vor einer
griechischen Insel.
    „Keine Panik, Tim! Aber das ist
ja sowieso nicht deine Art. Im Moment kann man noch gar nichts sagen. Ich...“
    „Ist Susanne krank?“
    Im letzten Jahr hatte er sich
angewöhnt, sie nur bei feierlichen Anlässen ,Mutter’ oder ,Mutti’ zu nennen.
Susanne — das klang lockerer, vertrauter, freundschaftlicher.
    „Nein. Aber... Das heißt, ich
weiß es nicht. Sie... wird seit gestern abend vermißt.“
    „Vermißt?
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