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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt?
Autoren: Stefan Wolf
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die Strickleiter und glitt hinab in die Dunkelheit.
    Die nächste Hoflaterne stand
weit genug entfernt, um nicht bis hierher zu leuchten.
    Unten gelandet, zirpte Tim wie
eine Grille.
    Klößchen riß oben die
Strickleiter vom Haken, wobei er mindestens 20 Weinlaubblätter abrupfte, und
holte sie ein. Dann rollte er sie zusammen und legte sie unter sein Bett — bis
Tim zurückkehrte.
    Tim wartete, bis das
Flurfenster geschlossen wurde.
    Diese Wut!
    Am liebsten hätte er mit seiner
harten Karate-Faust ein Loch in die Mauer geschlagen.
    Weil die Nacht schwül war, trug
Tim karierte Bermuda-Shorts, dünne Socken und leichte Marathon-Laufschuhe. Dazu
ein nachtfarbenes T-Shirt, ein dunkles, und um die Hüften hatte er sich ein
zusammengerolltes Sweatshirt geschlungen, damit er sich nachher nicht
erkältete. Denn erst mal mußte er mindestens fünf Kilometer traben — bis zur
Disko FEUERWASSER, die in der nahen Großstadt am Seilich-Platz liegt und Nacht
für Nacht schräge Vögel anzieht, auch Dealer, Rocker, Mitglieder von
Motorrad-Banden, Aufreißer und Tanzmuffel.
    Nicht die Bohne interessierte
sich Tim für diesen Schuppen. Aber der TKKG-Häuptling mußte hin, weil dann
wenigstens eine kleine Chance bestand, daß er sein teures Rennrad zurückbekam.
    Jawohl, es war weg. Am
Nachmittag des heutigen Tages hatte ein Unbekannter Tims Rennrad gestohlen:
gegen 15.30 Uhr, als die gesamte TKKG-Bande einschließlich Gabys Hund Oskar im
Euro-Museum die sehr lehrreiche Ausstellung ,Die Sahara heute und gestern’
besuchte. Nicht nur Fotografien von Sand — und außerdem ein Kasten mit echtem
Sahara-Sand, angeblich sogar von einem Sandsturm — waren dort zu sehen, sondern
weiß Gott mehr. Aber der Schlag mit dem Hammer kam, als die vier das Museum
verließen.
    Oskar, bei den Tretmühlen
angebunden, blickte traurig und schuldbewußt, weil er den Diebstahl nicht hatte
verhindern können.
    Tims Rennrad war verschwunden.
Das Sicherungskabel, durchschnitten mit einem Bolzenschneider, lag auf den
Steinplatten: als Briefbeschwerer für einen Zettel. Auf den hatte der Dieb eine
Mitteilung gemalt — in Kugelschreiber-Druckbuchstaben: Wenn Du Dein
Drahtgestell zurückhaben willst, komm heute nacht um 1 Uhr — keine Sekunde
früher — zur Disko Feuerwasser! Bring 100 DM mit. Keine Polizei, keine
Begleitung, keine Waffen!
    100 Mark! dachte Tim, während
er jetzt durchs Tor lief und sich dann in der Mitte der dunklen Chaussee-Straße
hielt. Warum nicht 1000? Oder eine Million! Mein Geld reicht gerade noch für
die Schüler-Fahrkarte nach Hause. Und das ist in einer Woche. Ja, nächsten
Freitag, wenn die Sommerferien anbrechen. Himmel, freue ich mich auf meine
Mutter!
    Jetzt hatte er keine 100 Mark
in der Tasche, nicht mal einen Groschen. Statt dessen hatte er seine Wut, seine
Judo-Kunst und seine Karate-Fäuste mit. Außerdem würde er nicht erst um 1 Uhr
früh bei der Disko eintreffen, sondern mindestens eine Stunde früher. Das
konnte von Vorteil sein, falls sich nicht alles nur als eine Schikane
rausstellte, um ihn reinzulegen.
    Tim und seine Freunde hatten
gerätselt. Wer war der Dieb? Wer verlangte das Lösegeld?
    Zu viele kamen in Frage.
Sicherlich — bei denen, die gerecht waren und gegen Unrecht aufbegehrten, war
er beliebt. Aber die im anderen Lager wünschten ihn zur Flölle. Mit wie vielen
hatte er sich schon angelegt, wie viele Kämpfe ausgefochten? Es wimmelte von
Feinden. Jedem war zuzutrauen, daß er sich für irgendwas an Tim rächte.
    Er lief locker, achtete auf die
Fahrbahn und horchte auf die Geräusche der Nacht.
    Kein Wagen war zu dieser Stunde
unterwegs. Da die Straße beim Internat endet, das bekanntlich in grüner
Landschaft weit vor den Toren der Großstadt liegt, wurde sie fast nur von
Internats-Angehörigen benutzt.
    Tim roch die Felder zu beiden
Seiten. Getreide, Hafer, Raps, Klee. Auch die Chausseebäume — Schwarzpappeln
und hin und wieder eine Eiche — dufteten stärker als am Tag.
    In der Ferne überdachte ein
riesenhafter Licht-Pilz die Stadt.
    Tim brauchte keine
Viertelstunde, um die ersten Häuser zu erreichen. Er lief durch
mitternachtsruhige Gassen und entlang an Häuserzeilen, hinter deren Fenstern
die Fernsehapparate schon erloschen waren. Zu dem fast runden Seilich-Platz
führten sternförmig fünf Straßen. Lichtpeitschen standen hier und dort.
Zwischen der Seilich- und der Fernamt-Straße wurde eine Grünanlage wie ein
Tortenstück eingeklemmt.
    Tim trabte dorthin und wühlte
sich in das
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