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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf?
Autoren: Tom Holt
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nur der Kiel über den Fuß gerutscht.«
    Die ersten Sonnenstrahlen gingen im Osten auf, und die Helden begrüßten die beginnende Morgendämmerung mit gezogenen Schwertern. Kotkel trat vor und segnete das Langboot mit der mystischen Überzeugungskraft eines Rasenmähermotors für seine letzte Reise. Bothvar Bjarki zerrte an der Rah, und das Segel stieg zur Mastspitze empor. Kaum wurde der Westwind stärker, blähte es sich auf. Auf dem Rahsegel war König Hrolfs Emblem abgebildet, ein großer Drache, der sich um einen fünfzackigen Stern wand.
    »Ich hab den Segelmachern damals extra gesagt, ich will einen einfachen Erdenstern haben«, erklärte er Hildy. »Aber die wußten es wohl besser. Oder sie haben meinen Entwurf falsch gedeutet.«
    »Dann heißt es jetzt also Abschied nehmen«, seufzte Hildy.
    »Was mein Manuskript betrifft, Vel-Hilda, der Mittelteil muß unbedingt gekürzt werden«, sagte Arvarodd.
    »Ich bin sicher, daß das nicht nötig ist.« Hildy hatte zwar Tränen in den Augen, aber ihre Stimme klang fest.
    »Ich ernenne dich zu meinem literarischen Testamentsvollstrecker«, fuhr Arvarodd fort. »Ich weiß, daß du deine Sache gut machen wirst. Und ich möchte, daß du die Sachen, die ich dir gegeben habe, behältst – du weißt schon, den Kieferknochen, die Steine und das alles. Ich brauche sie nicht mehr und …« Er wandte sich jäh ab und begab sich zu den anderen Helden aufs Boot.
    Der König sagte mit ernster Stimme: »Nun, Vel-Hilda, es wird Zeit für uns zu gehen. Kotkel möchte, daß du den Seherstein behältst, und wir sind beide der Meinung, daß du auch dies hier behalten solltest.«
    Er reichte ihr ein Bündel, das in einen Zobelumhang eingewickelt war.
    »Das ist das Glück von Caithness«, fuhr er fort. »Schließlich kann man nie wissen. Vielleicht gibt es eines Tages andere Zauberer. Zxerp und Prexz lassen wir zurück; sie haben die Freiheit verdient. Außerdem haben sie versprochen, sich gut zu benehmen.«
    »Wir werden uns zum Wasserkraftwerk am Loch Shin begeben und dort in Frieden leben«, bestätigte ein schwaches Licht vor Hildys Füßen.
    »Aber die Bedingung für ihre Freiheit ist, daß sie dir jederzeit zur Verfügung stehen müssen, falls du sie jemals brauchen solltest. Habt ihr mich verstanden?« fragte der König mit drohender Stimme. »Und sollte das nicht der Fall sein, hat Kotkel euch mit einem Zauber belegt, durch den ihr umgehend im Überlandleitungsnetz landen werdet, bevor ihr überhaupt wißt, wie euch geschieht.« Die Lichter flackerten nervös. »Ach, übrigens vielen Dank für das ›Koboldzähne‹-Spiel«, fügte der König hinzu.
    »Keine Ursache«, knurrte Zxerp. »Es hat uns sowieso gelangweilt.«
    »In dem Bündel befindet sich außerdem Ifing, das Schwert des Zaubererkönigs«, fuhr der König fort. »Es hat eine leichtere Klinge als Tyrving und ist einfacher zu handhaben. Auch das Schwert ist nur für alle Fälle gedacht. Der Zaubererkönig braucht es sowieso nicht mehr. Ich glaube, er hat sich wirklich verändert. Und das hier, Vel-Hilda Frederikstochter, ist auch noch für dich, und zwar als Gegenleistung für das wunderschöne Glasding und deine Hilfe.«
    Der König nahm sich eine feine Goldkette mit einem Anhänger vom Hals. »Die Könige von Caithness hatten nie eine Krone. Dieses Amulett wurde von meinem Großvater an meinen Vater und dann an mich weitergegeben. Einstmals trug es Odin selbst am Hals. Mit diesem Amulett trägt man gleichzeitig auch Verantwortung.« Er legte Hildy die Kette um den Hals. »Ich ernenne dich hiermit zur Verwalterin des Königreichs von Caithness und Sutherland. Dieses Amt sollen du und deine Kinder innehaben, bis der wahre König wiederkommt und das Seine zurückverlangt. Was, wie ich hoffe, niemals geschehen wird«, fügte er rasch hinzu. »Paß für mich darauf auf, Vel-Hilda.«
    Hildy senkte den Kopf und kniete vor König Hrolf Erdenstern nieder. »Bis dann«, schluchzte sie.
    »Jetzt muß ich aber gehen, sonst beschweren sich meine Männer«, sagte der König, auch ihm standen Tränen in den Augen. »Denk an uns alle, aber nicht zu oft.«
    Er zog Hildy an den Schultern hoch, umarmte sie und drückte sie an sich. Bevor Hildy wieder atmen konnte, war der König fort.
     
    »Da geht er hin«, murmelte Zxerp, »und nimmt einfach unser Spiel mit.«
    »Kopf hoch, Zxerp«, tröstete Prexz ihn sanft. »Es hätte schlimmer kommen können.«
    »Wie denn?« fragte Zxerp.
    »Ich hätte vergessen können, denen das Schachspiel
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