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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt
Autoren: H Coben
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klug genug, ihre Namen mit dem Finger in den Dreck zu schreiben – grunzten. Noch eine Viertelstunde. Das bedeutete, dass sie reingehen und auch während der Aufnahmeprozedur weiterarbeiten mussten. Ray hasste das.
    Die Bar-Mizwa fand im Wingfield Manor statt, einem absurd protzigen Bankettsaal, den man, wenn man ihn etwas zurückgebaut hätte, für einen von Saddam Husseins Palästen hätte halten können. Er war voller Kronleuchter, Spiegel, falschem Elfenbein, Holzschnitzereien und viel glänzender Goldfarbe.
    Wieder hatte er das Blut vor Augen. Er blinzelte es weg.
    Bei der Feier herrschte Smokingpflicht. Die Männer waren reich und abgespannt, die Frauen gut gepflegt und chirurgisch optimiert. Ray drängte sich in Jeans, einem verknitterten grauen Blazer und schwarzen Chuck-Taylor-Basketballschuhen durch die Menge. Ein paar Gäste sahen ihn an, als hätte er sich auf ihre Salatgabel erleichtert.
    Auf der Bühne befanden sich eine achtzehnköpfige Band und ein Animateur, dessen Aufgabe es war, die Gäste in einen Zustand fröhlicher Ausgelassenheit zu versetzen. Er hatte frappierende Ähnlichkeit mit einem schlechten Gameshow-Moderator – oder auch mit dem guten Robert aus der Sesamstraße. Dieser Animateur griff nun zum Mikrofon und sagte im Tonfall eines Boxkampf-Ansagers: »Ladys and Gentlemen, hier ist er, heißen Sie ihn willkommen. Zum ersten Mal, seit er aus der Tora gelesen hat und damit zu einem Mann geworden ist, begrüßen Sie ihn mit einem großen Applaus, den einmaligen und einzigen … Ira Edelstein!«
    Ira erschien mit zwei … Ray wusste nicht, wie man sie angemessen bezeichnete, am ehesten aber wohl als Edelstripperinnen . Als die beiden heißen Bräute ihn in den Raum geleiteten, befand sich der Kopf des Jungen auf Höhe ihrer Dekolletés. Ray machte die Kamera bereit und drängte sich kopfschüttelnd weiter vor. Der Typ war dreizehn. Wenn ihm in dem Alter solche Frauen so nahe gekommen wären, wäre er eine ganze Woche mit einem Ständer rumgelaufen.
    Ach, die Jugendzeit …
    Stürmischer Beifall brandete auf. Ira begrüßte die Menge mit einem majestätischen Winken.
    »Ira!«, rief Ray. »Sind das deine neuen Angebeteten? Stimmt es, dass du noch eine dritte zu deinem Harem hinzufügen könntest?«
    »Bitte«, sagte Ira mit routinierter Weinerlichkeit. »Auch ich habe ein Recht auf meine Privatsphäre.«
    Es gelang Ray, sich nicht zu übergeben. »Aber das interessiert die Leute.«
    Fester, der Leibwächter mit der Sonnenbrille, legte Ray eine große Hand auf die Schulter, so dass Ira an ihm vorbeigehen konnte. Ray drückte den Auslöser und achtete darauf, dass das Blitzlicht seinen Zauber entfachte. Die Band donnerte los – wann hatte das angefangen, dass bei Hochzeiten und Bar-Mizwas die Musik unbedingt in Stadionlautstärke gespielt werden musste? Es war die neue Feier-Hymne, Club Can’t Handle Me . Ira führte mit seinen zwei bezahlten Helferinnen einen anzüglichen Tanz auf. Dann stürmten seine dreizehnjährigen Freunde die Tanzfläche und sprangen einfach senkrecht in die Luft wie beim Pogo. Ray »kämpfte« sich an Fester vorbei, machte noch ein paar Fotos und sah auf die Uhr.
    Noch eine Minute.
    »Paparazzi-Schwein!«
    Wieder ein Tritt gegen’s Schienbein von einem der kleinen Kretins.
    »Au, Scheiße, das tat weh!«
    Der Kretin huschte davon. Notieren, dachte Ray: Schienbeinschützer besorgen. Er sah Fester mit einem Blick an, der um Gnade flehte. Fester ließ ihn los und forderte ihn mit einem kurzen Kopfnicken auf, ihm in die Ecke des Saales zu folgen. Weil es dort zu laut war, gingen sie nach draußen.
    Fester deutete mit seinem riesigen Daumen auf den Ballsaal. »Er hat seine Haftara-Abschnitte wirklich toll gelesen, findest du nicht auch?«
    Ray starrte ihn wortlos an.
    »Ich hab morgen einen Job für dich«, wechselte Fester das Thema.
    »Groovy. Was denn?«
    Fester wandte den Blick ab.
    Das gefiel Ray nicht. »Uh-oh?«
    »George Queller.«
    »Du meine Güte.«
    »Ja. Das Übliche.«
    Ray seufzte. George Queller versuchte seine Partnerinnen bei der ersten Verabredung zu beeindrucken, indem er sie komplett überwältigte – und damit in Angst und Schrecken versetzte. Er bestellte Celeb Experience , um ihn und sein Date zu umschwärmen, während er mit ihr in ein kleines, romantisches Bistro ging. Vor einem Monat war eine Frau namens Nancy an der Reihe gewesen. Kaum saß sie, wurde ihr – unglaublich, aber wahr – eine eigene Speisekarte überreicht, auf der »Georges
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