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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt
Autoren: H Coben
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angesehen hatte. Sie hatte es gewusst. Sie hatte genau gewusst, was die Medien daraus machen würden.
    »Asche zu Asche …«
    Beim Begräbnis von Stewart Green, einem Mann, der von Lorraine ermordet worden war, senkten die Trauergäste die Köpfe.
    »Wir nehmen jetzt Abschied von unserem teuren Verstorbenen …«
    Mit einer Rose in der Hand trat Sarah Green ans offene Grab. Sie warf sie auf den Sarg. Susie folgte ihr. Dann Brandon. Broome rührte sich nicht. Erin, die in Schwarz wunderbar aussah, stand in der Reihe hinter ihm, ihr Mann Sean direkt neben ihr. Ehrlich gesagt war Sean ein guter Mann. Broome drehte sich zu Erin um und sah ihr in die Augen. Erin lächelte kurz, und Broome spürte das wohlbekannte Stechen in der Brust.
    Die Sehnsucht würde immer bleiben. Das wusste er. Aber für ihn war die Sache mit Erin vorbei. Das musste er begreifen.
    Die Trauergäste begannen, sich zu zerstreuen. Broome machte sich auf den Weg zu seinem Wagen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er drehte sich um, und Sarah stand hinter ihm.
    »Danke, Broome.«
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Sarah hielt sich die Hand über die Augen und blinzelte im grellen Sonnenlicht. »Ich weiß, dass das eigenartig klingt, aber es ist endlich ein echter Schlussstrich.«
    »Das freut mich.«
    »Es ist Zeit weiterzuleben, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    Sie blieben noch einen Moment lang stehen.
    »Jetzt, wo der Fall abgeschlossen ist«, fing Sarah an, »kommst du da trotzdem noch mal zu Besuch?«
    Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ich weiß es nicht.«
    »Ich fände es nämlich schön, wenn du das tun würdest, Broome«, sagte sie. »Ich fände es wirklich sehr schön.«
    Dann ging sie. Broome sah ihr nach, bis sie verschwunden war.
    Er dachte an Lorraine, Del Flynn, Ray Levine, Megan Pierce und sogar an Erin, die ihn und den Job verlassen hatte, eigentlich aber nie ganz gegangen war.
    Vielleicht, dachte Broome, hatte Sarah recht. Vielleicht war es für sie alle Zeit, etwas Neues anzufangen.
    Fester setzte Ray am Flughafen ab.
    »Danke, Fester«, sagte Ray.
    »Ach, so einfach kommst du mir nicht davon. Komm her, du.«
    Fester stellte den Automatikhebel auf Parken und stieg aus. Er umarmte Ray kräftig, und zu seiner eigenen Überraschung erwiderte Ray die Umarmung.
    Fester sagte: »Pass auf dich auf, ja?«
    »Ja, Mom.«
    »Ich darf besorgt sein. Wenn du da drüben Scheiße baust, krieg ich meinen besten Mitarbeiter zurück.«
    Ray hatte Steve Cohen, seinen alten Boss von Associated Press angerufen und gehofft, von ihm einen guten Tipp zu bekommen, wie er es anfangen könnte, sich langsam wieder ins Geschäft hineinzuarbeiten. Cohen hatte gesagt: »Soll das ein Witz sein? Kannst du nächste Woche Richtung Durand-Linie aufbrechen?«
    Die Durand-Linie war die überaus gefährliche durchlässige Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan.
    »Einfach so?«, fragte Ray. »Nach all den Jahren?«
    »Was hab ich immer zu dir gesagt, Ray? Gut ist gut. Du bist gut. Wirklich gut. Ich wäre dir echt dankbar, wenn du das schaffst.«
    Im Flughafen-Terminal stellte Ray sich in die Schlange für den Sicherheits-Check. Zwei Wochen zuvor, als Flair Hickory ihm zum ersten Mal erzählt hatte, dass er sich wegen seines vergangenen Verbrechens keine Sorgen machen bräuchte, hatte Ray nur den Kopf geschüttelt.
    »Das kann doch nicht sein, Flair.«
    »Was kann nicht sein?«
    »Ich bin so lange davor weggelaufen«, sagte Ray. »Ich muss doch für das, was ich getan habe, bezahlen.«
    Flair lächelte, legte eine Hand auf Rays Unterarm und sagte: »Sie haben schon dafür bezahlt. Sie haben siebzehn Jahre lang dafür bezahlt.«
    Vielleicht hatte Flair recht. Das Bild von dem Blut hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr vor Augen gehabt. Hundertprozentig geheilt war Ray nicht. Das würde er wahrscheinlich auch nie werden. Er trank immer noch zu viel. Aber er befand sich auf dem Weg der Besserung.
    Ray nahm sein Handgepäck vom Fließband und ging zum Flugsteig. Auf der Abflug-Anzeigetafel sah er, dass er bis zum Boarding noch eine Viertelstunde Zeit hatte. Er setzte sich ans Gate und sah auf sein Handy. Er wollte Megan anrufen, ihr sagen, dass er einen Job hatte und es ihm gut ging, aber er hatte ihre Telefonnummer absichtlich verloren, und selbst wenn er sich daran erinnern könnte, was nicht der Fall war, würde er sie nicht anrufen. Er würde darüber nachdenken. Im Lauf der Jahre würde er häufig darüber nachdenken. Er würde sogar anfangen,
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