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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Autoren: Léo Malet
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das
Mädchen.“
    Er zeigt mit seinem nikotingelben
Finger an die Decke.
    „Mal sehn, ob Ihre Aussagen
zusammenpassen“, fügt er noch hinzu. „Aber keine Sorge, ‘ne reine
Formalität...“
    Ich erzähl ihm, wie ich Mariette
gefunden habe und was sie mir berichtet hat. Dabei komme ich auch auf die
Weinflasche mit dem darin vermuteten Schlafmittel zu sprechen. Wortlos steht
Faroux auf, schnappt sich die Flasche und bringt sie irgendwohin.
    Kurz darauf gibt es Spektakel auf der
Treppe. Das Gesetz hat seine Untersuchung abgeschlossen und schickt sich an,
den Tatort zu verlassen. Inspektor Grégoire teilt mir mit, daß ich ab sofort
die Küche wieder verlassen darf. Im Hausflur gibt Faroux gerade seine letzten
Anweisungen. Sie bleiben hier... Sie warten auf den Untersuchungsrichter... Sie
sorgen dafür, daß der Leichenwagen kommt... Ja, natürlich, zwei! Usw. Ich
entdecke Mariette neben Inspektor Fabre. Sie hat sich inzwischen weiter
angezogen und geschminkt. Rundherum ein erfreulicher Anblick, zwischen den
vielen Flics. Ich lächle ihr zu. Sie lächelt etwas schwach zurück.
    „Sie nehmen mich mit“, sagt sie
besorgt.
    „Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll
nehmen“, erklärt Fabre.
    „Nur keine Aufregung“, sage ich zu dem
Mädchen. „Sie müssen das verstehen. Wenn die armen Kerle mal die Gelegenheit
haben, mit einem hübschen Käfer wie Ihnen die Zeit zu verbringen, ziehen sie
das freudige Ereignis möglichst in die Länge. Ist ‘ne angenehme Abwechslung von
den schlechtrasierten Typen, mit denen sie normalerweise zu tun haben. Von
ihren eigenen Frauen ganz zu schweigen...“
    „Apropos schlechtrasierte Typen“,
lacht Faroux. „Sie kommen auch mit, Burma!“

Näheres
über die Leichen
     
    Am nächsten Morgen gegen zehn klingelt
das Telefon. Am anderen Ende meldet sich mein Freund Marc Covet. Ich frage
mich, warum der allesschluckende Journalist vom Crépuscule nicht schon
früher angerufen hat.
    „Komm grade von Marseille zurück“,
erklärt er mir. „Hab da Material über die Zigarettenschmuggler der
Sarfotti-Gang gesammelt. Aber sagen Sie... Welche Rolle spielen Sie bei dem
Fall Désiris? Die Zeitungen sind ja voll davon. Nach Meinung der Flics haben
Sie Ihren makabren Fund rein zufällig gemacht. Sie gehen die Rue
Alphonse-de-Neuville entlang, sehen eine Hand in der halboffenen Eingangstür,
finden das ohnmächtige Dienstmädchen...“
    Gestern in Faroux’ Büro haben wir uns
darauf geeinigt, den Zeitungen meine Verabredung mit Madame Désiris zu
verschweigen. Schließlich ist sie tot, und da wir die Gründe für ihren Anruf
bestimmt nie erfahren werden, machen wir am besten die Sache nicht
komplizierter, als sie ist. Das würde die Phantasie der Öffentlichkeit und der
Journalisten unnötigerweise anregen. Wir hätten meine Anwesenheit in der Villa
auch völlig unter den Tisch fallenlassen können. Aber als wir in der Nr.36
ankamen, lungerten zwei oder drei Journalisten in den Fluren der
Polizeidienststelle rum. Einer von ihnen kannte mich und hat gleich bohrende
Fragen gestellt.
    „Stimmt diese Lüge?“ bohrt jetzt Marc
Covet, der ungläubige Thomas.
    „Ja.“
    „So früh sind Sie schon auf den
Beinen?“
    „Ich genieße eben gerne den jungen
Morgen eines noch jüngeren Frühlings.“
    „Aber nicht jeden Tag. Heute zum
Beispiel...“
    „Ich hab Angst, daß ich wieder über
Leichen stolpere.“
    „Als ob Ihnen das was ausmacht!“
    „Wenn ich dadurch Ärger kriege und
womöglich noch in Verdacht gerate, dann macht’s mir ‘ne ganze Menge aus.“ Schon
zappelt Covet an der Angel.
    „Sie werden verdächtigt?“
    „Wollen Sie einen großen Artikel
schreiben?“ frage ich zurück.
    „Weiß ich noch nicht. Kommt ganz
darauf an. Ein bürgerliches Drama, Richtung Balzac... hm... Die Leute haben
nämlich von knallharten Gangstern die Schnauze voll. Sarfotti fiel noch etwas
aus dem Rahmen. Deswegen hab ich mich mit der Bande beschäftigt. Aber ansonsten
wollen die Leute von Gangstern nichts mehr hören. Balzac würde sie vielleicht
mehr interessieren.“
    „Glaub ich nicht. Für die ist das nur
die Bezeichnung eines Telefonbezirks.“
    „Na ja, ‘ne gute Gelegenheit, die
Allgemeinheit aufzuklären und ihre kulturelle Bindung zu erweitern. Aber sagen
Sie... Die Flics haben keine Erklärung für den Selbstmord?“
    „Nein. Aber meiner Meinung nach geht
das auf Konto Wahnsinn. Hab ein Foto von dem Kerl gesehen. Augen hat der...“
    „Verrückt also... Schon möglich. Ein
Kollege von
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