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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Autoren: Léo Malet
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mir hat sich über den Mann informiert. Désiris war Erfinder, und
die sind immer leicht bekloppt.“
    „Und was hat er erfunden?“
    „Keine Ahnung. Vielleicht nichts. Aber
versucht hat er’s.“
    „Woran hat er sich denn versucht?“
    „Auch das wissen wir noch nicht. Ich
hab zwei Leute auf den Fall angesetzt. Die suchen, woran Désiris sich versucht
hat.“
    „Na dann, Weidmannsheil! Ich kann
jedenfalls nicht dienen.“
    „Und das Dienstmädchen? Wissen Sie
nicht, was mit ihr los ist? Sie ist spurlos verschwunden.“
    „Wahrscheinlich ist sie zu ihrer
Mutter aufs Land gefahren.“
    Mariette, mein lieber Covet, steht
sozusagen unter meinem Schutz! Ich habe meine Sekretärin Hélène gebeten, sie
vorübergehend bei sich aufzunehmen. Erstens, damit sie ihren Schock überwindet,
und dann, um sie vor neugierigen Journalisten wie dir zu schützen. Aber das
werd ich dir natürlich nicht auf die Schnapsnase binden!
    „Tja, also dann...“, murmelt mein
Freund, „trotzdem vielen Dank. Sollte der Fall eine ungewöhnliche Wendung
nehmen...“
    „Welche Wendung soll der Fall schon nehmen...“
    Wir legen auf. Ich nehme den Hörer
wieder ab und wähle die Nummer einer Bekannten, die vor kurzem ein
Dienstmädchen gesucht hat. Die Stelle ist tatsächlich noch frei. Ich drücke
meiner Bekannten Mariette aufs Auge, erwähne aber, daß die Kleine keine
Referenzen hat. Ihre letzte Herrschaft hatte keine Zeit mehr, ein Zeugnis zu
schreiben. Und Anrufen ist zwecklos... Meine Bekannte ist ganz begeistert, als
sie hört, daß es sich dabei um das Ehepaar Désiris handelt. Wie aufregend! Ich
soll Mariette sofort zu ihr schicken. So, das wär die gute Tat für heute! Ich
geb meiner Bekannten Hélènes Telefonnummer.
    Kaum hab ich aufgelegt, als das
Telefon schon wieder läutet.
    „Hallo! Monsieur Burma?“ meldet sich
eine herrische Stimme am anderen Ende.
    „Am
Apparat.“
    „Hier
Monsieur Labouchère.“
    „Labouchère?“
    Den Namen hab ich vor kurzem irgendwo
gelesen.
    „Ja. Ich bin der Vater von Madame
Désiris.“
    „Ach, ja! Guten Tag, Monsieur.“
    „Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen
stellen.“
    „Ja, natürlich. Wann wär’s Ihnen
recht?“
    „So schnell wie möglich.“
    Er gibt mir die Nummer des Hauses in
der Avenue de la Grande-Armée, in dem er wohnt.
     
    * * *
     
    Die stattliche Großbürgervilla mit den
Jugendstilbalkonen befindet sich direkt gegenüber dem Touring-Club. Es ist die
ehemalige Stadtvilla von Thérèse Humbert, der Heldin des berühmten
Erbschaftsschwindels von 1902. (Dadurch werden wir auch nicht grade jünger!)
Ein großbürgerliches Haus, das immer noch großbürgerlich bewohnt wird. Das
Erdgeschoß hat sich noch nicht — wie das der Nachbarhäuser — seine Würde nehmen
lassen. Weder durch Boutiquen für Sportartikel und -kleidung noch durch
Autosalons.
    Die Concierge sagt mir, daß Monsieur
Labouchère in der ersten Etage wohnt. Dort öffnet mir ein Hausdiener mit
gestreifter Weste. Sein ernstes Gesicht verrät einem, daß es einen Trauerfall
in der Familie gegeben hat. Dafür verrate ich ihm meinen Namen. Er neigt
höflich sein Haupt — er weiß Bescheid! — und bedeutet mir, ihm zu folgen. Im
Salon erwartet mich ein etwa sechzigjähriger Mann, ungeheuer kräftig und prima
in Form, trotz seines leicht gebeugten Rückens. Sein Gesicht ist kantig, durch
die Brille mustern mich harte Augen. Er ist gekleidet, als käme er gerade aus
einer Verwaltungssitzung. Vor ihm auf dem Tisch stapeln sich so gut wie alle
Tageszeitungen von Paris. Auf seine Einladung hin setze ich mich. Der Diener
zieht sich diskret zurück.
    „Ich habe Sie zu mir gebeten“, beginnt
der Hausherr, „um Sie zu fragen, Monsieur, welche Rolle Sie bei dem Ganzen
spielen. Nach dem, was die Zeitungen schreiben und was mir die Polizei gesagt
hat, sind Sie es, der das... äh... die Sache entdeckt hat. Zufällig... Hm...
Der Zufall spielt immer eine Rolle, aber trotzdem... Also, ich möchte wissen,
welche Rolle Sie spielen.“
    Erinnert mich stark an Marc Covet!
    „Das weiß ich selbst nicht so ganz
genau“, antworte ich, wobei ich mir ein unangenehmes Grinsen verkneife. „Sie
haben recht, Monsieur. Ich habe das... die... äh... na, Sie wissen schon...
nicht rein zufällig gefunden. Das haben Kommissar Faroux und ich uns ausgedacht,
um der Presse keinen unnötigen Grund zu wilden Spekulationen zu geben. Aber ich
dachte, der Kommissar hätte Ihnen zumindest die Wahrheit gesagt.“
    „Daß Sie mit meiner
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