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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Autoren: Léo Malet
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Mann. Könnten Sie rauskriegen, was los ist?’ Natürlich etwas
eleganter, versteht sich. Aber nein! Mysteriöse Einkünfte. Na ja, das alles ist
jetzt nicht mehr so wichtig. Dennoch setze ich mein vorsichtiges Verhör fort:
    „Wie war die Ehe von Madame und
Monsieur?“
    „Ging so.“
    „Also eher schlecht?“
    „Weder gut noch schlecht. Solala.“
    „Sind Sie schon länger hier?“
    „Ein halbes Jahr.“
    „Und vorher?“
    „Hab bei meinen Eltern gewohnt.“
    Mit einer vagen Geste gibt sie den
Wohnort an. Muß irgendwo hinter Longjumeau oder Juvisy liegen.
    „Dann ist das hier Ihre erste Stelle?“
    „Ja.“
    Richtig geraten!
    „Sie hatten getrennte Schlafzimmer,
nicht wahr?“ bohrte ich weiter.
    „Ja.“
    Ich stopfe mir eine Pfeife und zünde
sie an.
    „Waren sich also ziemlich fremd, die
beiden?“
    Die Farbe, die ins Gesicht des
Mädchens zurückgekehrt ist, verschwindet mit einem Schlag wieder.
Marie-Mariette faßt sich an die Stirn und stöhnt:
    „Mein Gott!“
    „Was haben Sie?“
    „Ich fühle mich hundeelend.“
    „Kein Wunder! Nach dem Schock...“
    „Mir ging’s schon vorher nicht gut,
vor dem...“
    „Davon wollen wir lieber noch nicht
sprechen. Wieso ging’s Ihnen schon vorher nicht gut?“
    „Ich glaub, ich hab zu lange
geschlafen... Bin zu spät aufgestanden... Und dann die Kopfschmerzen! Ich muß
den Wecker überhört haben.“
    „Genauso wie die Schüsse, hm?“
    „Ich hab nichts gehört.“
    „Wie fühlten Sie sich gestern, als Sie
zu Bett gingen? Auch schon schlecht?“
    „Ja, ziemlich. Ich war todmüde.“
    „Haben Sie vor dem Schlafengehen was
getrunken? Tee zum Beispiel?“
    „Nein“, ruft sie entrüstet. Hört sich
an wie: ,Meinen Sie, ich wär ‘ne alte Schachtel?’
    „Und zum Abendessen?“
    „Wein, was sonst?“
    „Aus einer nur für Sie bestimmten
Flasche?“
    „Ja.“
    „Aha! Hier, trinken Sie ..
    Ich reiche ihr das Glas, das ich
vorher mit Whisky gefüllt habe.
    „Da hat keiner was reingetan“, füge ich
hinzu.
    „Reingetan? Was meinen Sie damit?“
    „Daß Ihr Chef ein Schlafmittel in
Ihren Wein geschüttet hat, um ungestört das tun zu können, was er tun wollte.“
    „Also wirklich!“
    Sie kriegt sich gar nicht mehr ein.
Schließlich kippt sie ihren Scotch runter.
    „Tja, so war das. Ist noch ein Rest
Wein in Ihrer Flasche?“
    „Ich glaub, ja.“
    „Sie werden sehen: Die Flics werden
den Wein untersuchen und meine Vermutung bestätigen. Apropos Flics... Wie haben
Sie die Tragödie entdeckt? Ich frag das nicht, weil ich Sie gerne quäle... Ist
sicher furchtbar für Sie... Aber ich muß gleich die Flics informieren, und die
werden Ihnen noch viel unangenehmere Fragen stellen. Unsere kleine Generalprobe
kann nur gut für Sie sein...“
    „Ach, wissen Sie“, sagt sie
achselzuckend, „viel gibt es gar nicht zu erzählen... Ich bin heute morgen aufgestanden, zu spät und mit Kopfschmerzen, wie
gesagt. Dann hab ich mich gewaschen und angezogen. Weil es schon so spät war,
hab ich nur schnell meinen Kittel übergezogen.“
    Leider merkt sie plötzlich, daß ihr
Kittel offensteht. So weit, daß es eine Freude ist für einen Liebhaber
hügeliger Landschaft. Errötend bringt sie ihre Toilette in Ordnung.
    „Ich bin dann hinuntergegangen und hab
an die Tür von Madame geklopft. Sie hat nicht geantwortet...“
    „Gezwungenermaßen.“
    „Ja. Ich hab die Tür geöffnet, und da
hab ich sie gesehen, beide. Erst Madame und dann Monsieur, als ich näher
ranging.“
    „Moment! Wie haben Sie sie gesehen?“
    „Wie? Also, wie man so sieht. Mit den
Augen.“
    „Hab ich mir fast gedacht. Brannte das
Licht?“
    „Nein. Ich hab’s angeknipst...“
    Sie runzelt plötzlich die Stirn.
    „Komisch, hm?“ sagt sie.
    „Was ist komisch?“
    Sie schwingt sich zu ungeahnten Höhen
der Psychologie auf. Die Wirkung des Whiskys ist bemerkenswert.
    „Die kleinen Handgriffe und
Bewegungen, die man in ganz besonders schlimmen Situationen macht. Man erinnert
sich an unbedeutende Details und vergißt andere, wichtigere. Zum Beispiel
könnte ich Ihnen nicht sagen, was ich getan hab, nachdem ich das... äh... na
ja, gesehen habe. Ich weiß nicht mehr, wie ich aus dem Zimmer gegangen bin.
Aber daß ich das Licht ausgeknipst habe, das weiß ich noch ganz genau! Blöd,
nicht wahr? Genausogut hätte ich’s brennen lassen können...“
    „Stimmt. Die beiden hätte das Licht
nicht geblendet. Aber deshalb müssen Sie nicht meinen, Sie wären von einer
bösen Krankheit
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