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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Autoren: Léo Malet
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behauptet, Chambefort habe sich
angeboten, den Ingenieur auszuspionieren. Eifersucht oder Neid waren wohl das
Motiv. Den Mord kann Labouchère nicht leugnen. Die Flics haben in seiner
Wohnung den Revolver gefunden, aus dem die tödlichen Schüsse abgegeben wurden.
Chambefort habe vor seinen Augen einige der wichtigen Zeichnungen verbrannt,
behauptet er. Und da sei er fuchsteufelswild geworden und habe auf ihn
geschossen... Na ja...“
    „Sie glauben nicht an die Version?“
    „Nein.“
    „Und wie hat’s sich Ihrer Meinung nach
abgespielt?“
    „Der Sänger hat sich mit Chambefort auf
der Île de la Grande-Jatte getroffen, um die Pläne in Empfang zu nehmen und den
Dieb dann umzulegen. Warum war er sonst bewaffnet?“
    „Chambefort hat ihm also die
Zeichnungen nicht sofort gebracht?“
    „Nein. Er war verwundet und hat sich
seine zerquetschte Hand behandeln lassen. Aus irgendeinem Grund muß er was von
Labouchères Dolchstoßidee geahnt haben. ,Wenn das so
ist! ‘ hat er sich gesagt, und schwupp !, ab ins Feuer
mit den teuren Plänen. Die Reste neben seiner Leiche waren nämlich nicht nur
vermodert, sondern auch angebrannt. Der Sänger wird wütend und schießt. Gute
Nacht, Monsieur Chambefort! Labouchère beerdigt ihn, zusammen mit den
Zeichnungen, mit denen man sowieso nichts mehr anfangen kann.“
    „Sagen Sie“, fragt Hélène nach kurzem Schweigen,
„welchen Sinn hatte denn Labouchères Anruf kurz nach der Tragödie in der Rue
Alphonse-de-Neuville?“
    „Er wollte wissen, welche Rolle ich in
dem Spiel spielte. Was hatte mir seine Tochter erzählt? Er fürchtete nämlich,
daß sie von den dunklen Geschäften — von seinen und denen ihres Mannes — Wind
bekommen und mir einiges davon verraten hatte.“
    „Und? Hatte sie?“
    „Nichts hat sie mir gesagt! Gar
nichts! Das wissen Sie doch. Warum Madame Désiris angerufen hat, werden wir nie
erfahren. Désiris hat sie und sich umgebracht. Aber das wissen Sie ja auch...
Vielleicht hat der verwickelte Ingenieur mitgekriegt, wie seine Frau mich
angerufen hat? Kurzschluß seinerseits und... Wie gesagt, wir werden es nie
erfahren.“
    „Und die Mörder von Pierre Brousse?“
    „Faroux ist guter Hoffnung. Wenn sie
Yolandes Ring verhimmeln wollen, schnappt er sie sich. Meint er.“
    „Und Consuelo?“
    „Spurlos verschwunden.“
    „Ach, ich frage nach allen möglichen
Leuten, nur nicht nach Ihnen. Was macht die Wunde?“
    „Alles Gute. Die Jagd ist zu Ende. Ich
kann mich in aller Ruhe... äh... ausruhen.“
    „Ja, die Jagd ist zu Ende, der Fall
erledigt.“ Hélène tut einen tiefen Seufzer. „Ja, der Fall... Sagen Sie, ich bin
ja keine Dame von Geld, aber trotzdem... Was hat Ihnen der Fall eingebracht?“
    „Nichts. Viel Ärger und... Luft und
Liebe.“
    „Und ein Stück Blei im Arm. Außerdem
haben Sie mit Ihrer Boxeinlage im Prickelnden Paris dafür gesorgt, daß
Régine ihren Job los ist.“
    „Ist auch besser so! Das war ein
unmoralischer Gelderwerb. Ich bin nämlich ein Verfechter der guten Moral. Die
Bösen sollen bestraft werden, die Guten belohnt.“
    Plötzlich springe ich auf und werfe
Hélène etwas in den Ausschnitt.
    „Was soll das?“ ruft meine Sekretärin
empört. „Was werfen Sie in meinen... meine... das...“
    „Sehen Sie doch mal nach! Oder
erlauben Sie mir, den Froschmann zu spielen?“
    „Hände weg, Sie Sittenstrolch!“
    Eigenhändig greift sie sich ins
Dekolleté und bringt das corpus delicti ans Tageslicht.
    „Großer Gott!“ flüstert sie. „Das...
Das ist doch...“
    „Der Stein gehört Ihnen“, sage ich
fröhlich. „Wie gesagt, die Guten sollen belohnt werden. Und Sie haben ihn
verdient. Übrigens hab ich noch zwei...“ Ich lege zwei weitere Diamanten auf
den Schreibtisch. „Einer für Régine, einer für mich.“
    „Aber... wie... wie ...?“
    „Wie? Na ja... Sie erinnern sich doch
an die alte Reisetasche aus der Rue Rochefort, hm? Modell 1900. Alt, sehr alt.
Innen gefüttert. Ich weiß nicht, wie’s passiert ist... Jedenfalls sind drei
Klunker zwischen Tasche und Futter gerutscht. Lustig, finden Sie nicht?“
     
    Paris-Châtillon, 1959

Nachgang
     
    Schon hinter Louis Michel saß kaum
noch jemand im Wagen. Anatole France sah eine junge Frau mit quengelndem
Kleinkind aussteigen, zweieinhalb Minuten später rollte der Zug aus. Pont de Levallois,
Endstation. Wer fährt am Sonntag schon nach Levallois?
    Die langgezogene Rue Anatole France,
die den ganzen Vorort durchschneidet, gähnt Leere. Auf der linken
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