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Wer braucht schon Liebe

Wer braucht schon Liebe

Titel: Wer braucht schon Liebe
Autoren: Denise Deegan
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tatsächlich. Das Boot gleitet übers Wasser. Es fühlt sich an wie fliegen. Es fühlt sich unglaublich an. Aber natürlich sage ich ihm das nicht.
    » Du kannst den Draht loslassen. Du bist eingehakt.«
    Warum nicht, denke ich, und lasse los.
    » Cool, was?«, fragt er fröhlich.
    Ich beachte ihn nicht, aber ich schließe die Augen und tue so, als wäre ich Kate Winslet am Bug der Titanic. Ein paar Minuten lang gleiten wir so dahin, bis eine Stimme McFaddens Namen durch einen Lautsprecher ruft. Ich werfe einen Blick hinter uns. Es ist das Rettungsboot.
    » Dave! Wo zum Teufel fährst du hin.«
    Er winkt lässig. » Wir wenden«, schreit er.
    Ich sehe erst den Typen im Schlauchboot an, dann McFadden. » Kennst du den?«
    » Äh, ja. Komm lieber rein. Wir machen eine Wende.«
    Es ist kaum zu glauben. Nicht nur, dass wir das Boot wieder den Slip hinaufhieven und es an seinen Platz auf dem Trockendock zurücktragen müssen, wir müssen es auch noch auseinandernehmen. Alles geht nach einem bescheuerten System. McFadden ist so was von pingelig. Als würde es einen Unterschied machen, ob wir die Knoten in den Seilen lassen oder nicht. Gerade eben gibt er mir eins, damit ich den Knoten löse, und fragt mich plötzlich ganz sachlich: » Warum bist du so hochnäsig?«
    Ich lache schockiert auf. » Wie bitte?«
    » Wie eine Eisprinzessin.«
    Ich starre ihn an und lasse das Seil fallen. Das kann er von mir aus selber aufknoten. Ich will schon gehen, als er mein Gesicht in beide Hände nimmt und mich küsst. Sofort weiche ich zurück.
    » Verdammt noch mal, was soll das?« Ich sehe mich schnell um. Das riesige flatternde Segel verbirgt uns.
    Er lächelt nur und küsst mich noch einmal. Und jetzt – bitte sag mir einer, warum – erwidere ich seinen Kuss. Dann löse ich mich von ihm, als hätte ich eine Kröte geküsst. » Was tust du da?«
    » Dasselbe wie du«, sagt er nun mit einem ganz leichten Lächeln.
    Und plötzlich ist er nicht mehr einfach nur ein Junge aus meiner Klasse, sondern ein vom Wind gepeitschter, braun gebrannter sexy Typ, der eine Kette aus Perlen um den Hals trägt und ein geflochtenes Lederarmband ums Handgelenk. Mein Gesicht ist nur Zentimeter von seinem entfernt und kommt immer näher. Doch dann halte ich inne. Was tue ich da? Ich sehe ihn an, eiskalt.
    » Das war eine einmalige Sache.«
    Ich drehe mich schnell um und gehe davon. Meine Knie haben sich noch nie so weich angefühlt.

3 In Klamotten ertrinken
    Meine deutlichste Erinnerung an meine Mum … Ich bin dreizehn und stehe vor dem Spiegel in meinem Zimmer. Kurz davor, Selbstmord zu begehen. In drei Tagen komme ich auf die weiterführende Schule, und die Schuluniform, die mit der Post gekommen ist, ist riesig, obwohl wir zu Beginn des Sommers bei der Anprobe waren. Ich schaue in den Spiegel und sehe eine Streberin, die in ihren Klamotten ertrinkt. Hinter mir steht meine Mutter. Sie fängt an zu lachen. Und kann gar nicht mehr aufhören. Dann lache ich auch, obwohl ich eigentlich viel lieber weinen würde. Ich stehe kurz davor, an meinem ersten Schultag mit der Aufschrift » Mobbing-Opfer« aufzulaufen.
    Dann hört Mum auf zu lachen. » Okay. Gehen wir.«
    » Wohin?«
    » In die Stadt. Zum Umtauschen. Offensichtlich haben sie einen Fehler gemacht.«
    Ganz einfach.
    Manchmal vermisse ich nicht nur meine Mutter, ich vermisse es, eine Mutter zu haben. Jemanden, auf den man sich verlassen kann, der den Druck wegnimmt, der einem etwas erklärt. Zum Beispiel warum ich manchmal eine totale Zicke sein kann. Und warum ich einen Typen geküsst habe, den ich nicht mal leiden kann. Nachdem er mich beleidigt hat. Ach ja, und warum ich nicht aufhören kann, an ihn zu denken – oder an den Kuss. Um zwei Uhr morgens treffe ich eine Entscheidung. Ich bin eine Vollidiotin. Für ihn war es bloß ein Zeitvertreib. Es hat nichts zu sagen. Ich räume ihm keinen Platz mehr ein in meinem Kopf. Und von jetzt an gehe ich ihm aus dem Weg. Und zwar komplett.
    Es ist schwierig, jemandem aus dem Weg zu gehen, wenn er sich nicht blicken lässt. Am nächsten Tag ist er nicht da. Sarah wird meine Partnerin. Sie weiß genauso viel über Boote (und interessiert sich genauso dafür) wie ich. Wir werfen eine Münze, um zu entscheiden, wer das Ding steuern soll. Sarah verliert. Es endet damit, dass wir uns im Kreis drehen – gegen den Uhrzeigersinn. Schließlich treiben wir in den Pier und nutzen die Tatsache, dass wir gestrandet sind, dazu, eine Pause einzulegen.
    » Also«, sagt sie.
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