Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe
Autoren: Marte Cormann
Vom Netzwerk:
vergeblich Hoffnung gemacht hatte. »Es irritiert mich eben, wenn eine erwachsene Frau wie du immer noch zu Hause wohnt«, versuchte er mit erhobener Stimme zu erklären, während er enttäuscht in seine Hose schlüpfte. Der leicht spöttische Blick, den Karen ihm unter den gesenkten Wimpern zuwarf, als sie ins Zimmer zurückkehrte, entging ihm nicht.
    »Mir ist übrigens eine Villa in Amalfi zum Verkauf angeboten worden, die ich mir am Wochenende ansehen werde. Wir könnten Sonntagabend zurück sein«, bemerkte er leichthin.
    Überrascht riss Karen die Augen auf »Du möchtest, dass ich dich begleite?!«
    Um seine Mundwinkel herum zuckte es amüsiert. »Wäre doch mal eine hübsche Abwechslung. Immerhin kennen wir uns jetzt schon seit fast zwei Jahren und sind in dieser Zeit noch nicht ein Mal miteinander verreist.« Seine grauen Augen blickten plötzlich sehr ernst.
    Irritiert fuhr sie ihm mit der Hand durch die naturblonden, kurz geschnittenen Haare. »Wusste gar nicht, dass wir eine solche Beziehung führen. Mit Verreisen und so.«
    Irgendwo draußen schlug eine Kirchturmuhr zwei Uhr. Erschrocken und gleichzeitig erleichtert griff Karen nach ihrer Tasche. »Verdammt, wir haben länger gebraucht, als ich dachte! Ich muss los!«
    »Nicht nur du!«
    Mit einem Gleichklang, der an Synchronschwimmer erinnerte, stürmten sie zur Wohnung hinaus und die Treppe hinunter. Doch auf der Straße kam Kevin erneut auf das Thema Amalfi zu sprechen.
    »Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mitkommen würdest. Morgen ist Freitag. Wenn wir die Maschine um zwölf bis Neapel nehmen, bleiben uns fast volle zwei Tage. Vielleicht ist es ja an der Zeit, unserer Beziehung – einen neuen Kick zu geben.«
    Einen neuen Kick? Karen fasste sich alarmiert an den Hals, der sich mittlerweile von innen wie ein Reibeisen anfühlte. Bisher lief doch alles so fabelhaft zwischen ihnen. So unangestrengt, so eingespielt, so ideal. Sie und Kevin führten die rundum perfekte Beziehung eines berufstätigen jungen Paares von heute. Getrennte Kassen, getrennte Haushalte und gelegentliche Treffen zum Abbau angestauter Sexualenergie. Wieso brauchten sie ausgerechnet jetzt einen neuen Kick?!
    Aber in diesen Minuten, zwischen zwei Terminen, blieb ihr nicht die Zeit, Kevin davon zu überzeugen, alles beim Alten zu belassen. Drüben auf der anderen Rheinseite machten sich die Wichtigmänner, wie sie ihre männlichen Kollegen insgeheim nannte, in spätestens zehn Minuten auf den Weg zum Staatssekretär, um mit ihm das bisherige Zwischenergebnis ihrer Untersuchung zu diskutieren. Kesselbaum junior, ihr unmittelbarer Vorgesetzter, mahlte bestimmt schon vor Wut mit den Zähnen, weil er die für die Präsentation unverzichtbaren Personalzahlen zu Recht in Karens Aktenkoffer vermutete. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, zu spät zu kommen.
    »Also gut, arbeiten kann ich ja schließlich auch in Amalfi«, willigte sie gehetzt ein.
    Kevin drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Wange. »Klar kannst du dort arbeiten.« Doch irgendetwas in seinem Blick trug ganz und gar nicht zu Karens Beruhigung bei.
    Die Sitzung, in der die Unternehmensberatung Kesselbaum & Co ihren ersten Zwischenbericht zur Neuorganisation des Finanzministeriums vorlegte, hatte bereits begonnen, als Karen mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen ihren Platz neben Kesselbaum einnahm. Obwohl sie es vermied, ihn anzusehen, konnte sie spüren, wie ihr Chef eisige Kälte in ihre Richtung verströmte. Absolute Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, lautete sein Firmencredo, und nach Kesselbaums Ansicht kam es einer Totsünde gleich, gegen diesen Grundsatz zu verstoßen.
    Ihn tapfer ignorierend versuchte Karen, sich auf die Ausführungen ihres Kollegen Ackermann zu konzentrieren, der gerade ausschweifend wie immer über notwendige Umstrukturierungen im Verwaltungsaufbau referierte: Die Abteilungen Innere Verwaltung und Grundsatzabteilung sollten zusammengelegt, zusätzlich mindestens zwei Referate aufgelöst und ihre Aufgaben auf andere verlagert werden.
    Der Staatssekretär nickte anerkennend, als Ackermann seine Ausführungen beendet hatte. »Sehr schön, danke. Sie alle kennen die Situation der öffentlichen Hand. Die Kassen sind leer, ohne dass in absehbarer Zeit Besserung in Sicht ist. Die immens hohen Personalkosten verschärfen zudem das Defizit dramatisch. Vorderstes Kriterium für die angestrebte Erneuerung der Verwaltung kann daher nur der drastische Stellenabbau sein.« Er sah
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher