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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe
Autoren: Marte Cormann
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opfern. Und die schlossen in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit ein, kleineren mittelständischen Betrieben den Weg in eine sichere Firmenzukunft zu ebnen. Für die meisten ihrer Kollegen war Brodes Fleisch- und Wurstparadies bloß ein kleiner Fisch, doch für sie war auch dieser Betrieb ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Rezession.
    Um ein Haar wäre Karen mitten im Gespräch mit Brodes vor Lachen laut herausgeplatzt, als ihr bewusst wurde, wie staatstragend ihre Gedanken waren. Karen Rohnert, die Weltverbesserin.
    Hoffentlich kann Brodes keine Gedanken lesen, sonst drückt er nur das Honorar.
    Selbstbewusst lehnte Karen sich auf ihrem Stuhl zurück, um ihn aus zusammengekniffenen Augen zu fixieren. Wortlos. Wie erwartet, dauerte es nicht lange, bis Brodes nervös an seinem zu engen Hemdkragen herumzufingern begann.
    »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Frau Rohnert. Meine Frage hat wirklich nichts mit Ihrer fachlichen Qualifikation zu tun …«, krächzte er.
    Das wollte ich bloß hören.
    »Aber selbstverständlich nicht«, unterbrach Karen ihn sanft. Jetzt, da Brodes den Kotau vor ihr gemacht hatte, konnte sie ihm wieder entgegenkommen.
    »Ich stimme mit Ihnen vollkommen überein, dass es bei dieser Aufgabe nicht darauf ankommt, ob ein Mann oder eine Frau Sie berät. Zumal bei Kesselbaum & Co. ohnehin jeder Empfehlungsbericht von mindestens einem der übrigen Kollegen gegengelesen wird. Ich bin genau wie Sie der Auffassung, dass Sie mit gutem Recht sehr stolz auf das kleine Imperium sein können, das Sie geschaffen haben. Aber …«, an dieser Stelle setzte Karen eine bedeutungsschwere Pause, um sich die volle Aufmerksamkeit von Bernhard Brodes zu sichern.
    »… nach eingehendem Studium Ihrer Bilanzen und der Geschäftsberichte bin ich darüber hinaus davon überzeugt, dass Sie den wirtschaftlichen Ertrag Ihrer Firma langfristig steigern und damit die Kredite auf ein Drittel zurückfahren könnten. Nach einer ersten Anlaufphase, selbstverständlich.«
    »Und beim Personal, sehen Sie da auch Einsparungsmöglichkeiten?« Karen entging nicht, dass Brodes’ Stimme bei dieser Frage plötzlich etwas Lauerndes bekam. Ohne Zweifel zählte die Personalfrage zu den heikelsten Punkten eines jeden Beratungskonzepts. Und egal, was sie antworten würde – es konnte das Falsche sein.
    »Diese Frage kann ich Ihnen definitiv und abschließend selbstverständlich erst beantworten, wenn ich den Aufbau und die Strukturen Ihrer Firma auf Herz und Nieren geprüft, mir die einzelnen Arbeitsplätze angesehen und mit den jeweiligen Arbeitnehmern gesprochen habe.« Wieder ließ Karen eine kleine Pause. »So viel aber vorweg: Grundsätzlich ziehe ich geeignete Umschulungsmaßnahmen jeder Kündigung vor.«
    Brodes atmete sichtlich auf. »Freut mich zu hören. Wissen Sie, wir sind ein Familienbetrieb. Schon in der vierten Generation. Von vielen unserer Mitarbeiter haben schon die Großeltern bei uns gearbeitet.« Er zog ein gebügeltes und sauber gefaltetes Stofftaschentuch aus seiner Sakkotasche. »Bevor ich auch nur einen meiner Mitarbeiter entlasse, lerne ich lieber Holländisch.«
    Karens Lächeln kam von Herzen. Der alte Brodes gefiel ihr, und er hatte tatsächlich aufgepasst. »Die Grenze liegt keine halbe Autostunde von Ihrem Betrieb entfernt. Wenn Sie ernsthaft in den Niederlanden Fuß fassen wollen, sollten Sie nicht darauf vertrauen, dass man dort Deutsch spricht.«
    Bernhard Brodes wischte sich die Hand an seinem Taschentuch ab, bevor er sie Karen reichte. »Willkommen in Brodes Fleisch- und Wurstparadies«, erklärte er feierlich, mühsam darauf konzentriert, den Blick von ihrem Dekolleté abzuwenden. Doch insgeheim konnte er sich sein Qualitätsurteil als Fachmann nicht verkneifen: voll im Saft und fest im Fleisch.
    »Drei Zimmer, Küche, Diele, Bad in Oberkassel und ein Südbalkon mit Rheinblick als Zugabe. Der Champagner steht schon kalt. Du musst bloß noch Ja sagen!«
    Karen musste lachen, als Kevin mal wieder alle Register der Verführung zog. Im doppelten Sinne. Es stachelte seinen beruflichen Ehrgeiz als Immobilienmakler an, dass ausgerechnet die Frau, mit der er regelmäßig Sex hatte, noch immer in ihrem ehemaligen Kinderzimmer in der Wohnung ihrer Großmutter lebte.
    »Deine Nibelungentreue in Ehren«, pflegte er zu sagen. »Aber ein solcher Wohnstandard entspricht nicht dem Niveau einer 26-jährigen, äußerst attraktiven und erfolgreichen
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