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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe
Autoren: Marte Cormann
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Unternehmensberaterin.«
    »Aber es erleichtert die Antwort auf die Frage: Zu dir oder zu mir?!«, entgegnete Karen ebenso regelmäßig.
    Doch da Kevin mindestens so hartnäckig wie sie sein konnte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, verfolgte er nun die Strategie der subtilen Unterwanderung, indem er sie zu Sex in potenziellen Vermittlungsobjekten verführte. Wie zum Beispiel gerade eben in eine Dreizimmerwohnung mit Rheinblick.
    »Klingt klasse. Aber es ist gleich schon eins, und im Finanzministerium wartet man auf mich.«
    Während Karen mit Kevin via Freisprecheinrichtung ihres Handys diskutierte, lenkte sie ihren mintgrünen Smart auf die rechte Fahrspur und schaltete vom vierten in den dritten Gang zurück. Wie immer um die Mittagszeit floss der Autoverkehr nur träge durch die Düsseldorfer Innenstadt.
    »Und wenn ich dir zum Ausgleich einen freien Abend verspreche? Die neue Intendantin am Düsseldorfer Opernhaus will mich treffen. Ich möchte nur ungern absagen«, drang Kevins Stimme, die immer ein wenig heiser klang, an ihr Ohr. Vermutlich war es sogar dieses Timbre, das seinen solventen, vorwiegend weiblichen Kunden so an ihm gefiel.
    Karen drückte heftig auf die Hupe, als ein Bestattungswagen ihr die Vorfahrt nahm.
    Als ob es in dem Gewerbe noch auf Geschwindigkeit ankäme.
    Doch sofort wanderten ihre Gedanken wieder zu den nicht von der Hand zu weisenden Vorzügen der Beziehung, die sie mit Kevin führte: partnerschaftlich, selbstbewusst …
    Emotionslos.
    Nein, nicht emotionslos. Sie mochte Kevin. Zum Beispiel seine pragmatische Art, Schwierigkeiten anzupacken. Siehe ihr kleines Wohnproblem. Oder den Moment, wenn er, kurz bevor sie miteinander schliefen, seine Brille abnahm und sie kurzsichtig anzwinkerte.
    Beides vielleicht nicht sehr mitreißende Beschreibungen eines Mannes, den sie offiziell als ihren Freund bezeichnete. Aber in jedem Fall ehrliche.
    Und Ehrlichkeit bildete die Grundlage ihrer Beziehung.
    Ebenso wie die stille Übereinkunft, dass sie keine dieser emotionalen Klammerbeziehungen führten, die auf Heiraten und Kinderkriegen abzielten, um irgendwann letztlich doch zu scheitern.
    Die Beziehung, die Kevin und sie miteinander führten, war freundschaftlich, vertrauensvoll – eine Beziehung zwischen Erwachsenen, in deren Leben der Beruf oberste Priorität besaß.
    Eine Beziehung zum Wohlfühlen eben.
    »Karen, hörst du mich noch?«
    »Entschuldige bitte, Kevin. Ich war abgelenkt. Was hast du noch mal gefragt?«
    Seine Stimme klang leicht gereizt, als er sie an die Dreizimmerwohnung mit Ausblick auf einen Quickie erinnerte. Mehr war mittlerweile zeitlich kaum noch drin, wenn sie ihren ehrgeizigen Kollegen nicht das Feld allein überlassen wollte.
    »Also gut, nenn mir die Adresse«, willigte sie ein. Die Aussicht auf einen Abend, an dem sie sich in aller Ruhe die Unterlagen von Brodes Fleisch- und Wurstparadies zu Gemüte führen könnte, war schließlich auch nicht zu verachten.
    Fünfunddreißig Minuten später lag Karen Seite an Seite neben Kevin auf der breiten Ausziehcouch, einem der wenigen Möbelstücke, das die ehemaligen Eigentümer in der Wohnung zurückgelassen hatten. Wie immer, wenn sie mit Kevin Sex gehabt hatte, hielt sie die Augen noch eine Weile geschlossen, bevor sie sich wieder der Welt und ihm zuwandte. Kevin fühlte sich durch diese Angewohnheit geschmeichelt, weil er ihr Bedürfnis nach innerer Sammlung seinen grandiosen Fähigkeiten als Liebhaber zuschrieb. Dass genau das Gegenteil wahr sein könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn.
    Außerdem bekam sie Halsschmerzen.
    »Und, gefällt dir die Wohnung?« Karen schmunzelte unwillkürlich, als Kevins Atem in ihrem Ohr kitzelte. Hastig drehte sie den Kopf zur Seite, damit sie ihm in die Augen sehen konnte.
    »Sie ist fantastisch: voll Licht und Wärme, dazu großzügig geschnitten, ein Traum.«
    »Dann mach ihn wahr. Für den Blick vom Balkon würden die meisten in dieser Stadt glatt das Doppelte zahlen«, drängte er hoffnungsvoll.
    Karen lächelte verträumt. »Man hört sogar die Schiffe auf dem Rhein fahren.«
    »He! Solltest du etwa tatsächlich angebissen habe?« Die Freude in seinen Worten war nicht zu überhören.
    »Du gibst wohl nie auf!« Laut auflachend schwang Karen die Beine von der Couch und griff nach ihren Sachen, um mit ihnen im Badezimmer zu verschwinden. »Warum ist es dir eigentlich so wichtig, wo ich wohne?«
    Am veränderten Klang ihrer Stimme erkannte Kevin, dass er sich mal wieder
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