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Wer Böses Tut

Wer Böses Tut

Titel: Wer Böses Tut
Autoren: Elena Forbes
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sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah er die blassrosa Stellen an ihrem Hals, den Schultern und dem Rücken, wo sich helle Leichenflecken gebildet hatten, kaum sichtbar unter dem glitzernden Eispanzer.
    »Sie ist also bewegt worden«, murmelte er und schaute Browne an. »Haben Sie sie so gefunden?«
    »Mehr oder weniger. Soweit ich bis jetzt sehen konnte, sind auf der Rückseite ihrer Beine und Arme ebenfalls livores mortis. Sie muss also nach Eintreten des Todes einige Stunden lang flach auf dem Rücken gelegen haben, obwohl sie in diese Position gebracht wurde, ehe die Leichenflecken fixiert waren.«
    »Irgendeine Idee, wann sie bewegt wurde?«
    »Schwer zu sagen, bei den Temperaturen. Der Farbe der Hypostase nach zu urteilen, lag sie bei niedriger Umgebungstemperatur entweder hier oder woanders. Wie Sie wissen, kann man das unmöglich
genau sagen, aber ich wage die Vermutung, dass sie zwölf bis sechsunddreißig Stunden nach ihrem Tod bewegt wurde. Und wenn Sie genauer hinsehen, wird es sogar noch seltsamer.« Sie zog zur Bekräftigung ihre dichten Augenbrauen hoch.
    Interessiert kniete er sich neben die unbekannte Frau, strich vorsichtig ein wenig Haar beiseite und betrachtete prüfend das, was er von ihrem Gesicht sehen konnte. Ihre Stirn ruhte auf ihren Händen, die Augen standen offen und starrten leer auf den Boden, Wimpern und Augenbrauen waren weiß gefroren. Sie war vielleicht Ende zwanzig oder Anfang dreißig, er konnte sich allerdings auch täuschen.
    »Herr im Himmel«, murmelte er, als er noch mehr Haare beiseiteschob. Ihre Hände waren an den Handgelenken mit Klebeband fest zusammengebunden und wie zum Gebet gefaltet.
    »An Knien und Fußgelenken ist sie auch gefesselt«, sagte Browne. »Genau kann man das allerdings erst sehen, wenn wir sie hier rausgebracht haben.«
    Er nickte automatisch, den Blick immer noch auf die Hände der Frau gerichtet. Ihre Nägel waren manikürt, aber nicht lackiert, und sie trug keine Ringe oder anderen Schmuck, auch wenn das nichts zu bedeuten hatte.
    »Wissen Sie schon, was die Todesursache ist?«, fragte er und erhob sich, ohne den Blick von der Frau zu nehmen. Irgendwie kam ihm ihre Pose symbolisch vor, doch ihm fiel nicht ein, an was sie ihn erinnerte. Das Bild setzte sich in seinem Kopf fest, während er darüber nachdachte, wer sie wohl war, ob sie einen Mann hatte, eine Familie oder Freunde, die sie vermissten.
    Browne brummte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Außer dass sie es offensichtlich nicht selber war, wissen wir noch gar nichts.«
    »Sie überraschen mich. Es gibt also keine sichtbaren Zeichen von Gewaltanwendung?«

    »Im Gesicht hat sie ein paar blaue Flecken und um den Mund herum tiefe Kratzer. Meiner Ansicht nach ist es gut möglich, dass sie sexuell missbraucht wurde. Wenn wir sie umgedreht haben, werde ich Abstriche machen. Aber die gründliche Untersuchung wird warten müssen, bis wir sie in der Rechtsmedizin haben. Außerdem ist es sinnvoller, das Tape an ihren Armen und Beinen dort auf Fingerabdrücke zu untersuchen, und ich kann sie erst genauer anschauen, wenn ich es entfernt habe. Wir holen uns den Tod, wenn wir noch länger hierbleiben.«
    »Schauen Sie auch nach Speichelspuren auf dem Tape?«
    »Natürlich«, sagte Browne entrüstet. »Warum sollte sich hier draußen jemand mit einer Schere abmühen? Wir werden es auch auf Bissspuren untersuchen.«
    »Angenommen, sie war die ganze Zeit draußen, dann gibt es wahrscheinlich keine Möglichkeit festzustellen, ob sie hier gestorben ist oder hergebracht wurde?«
    Browne schüttelte den Kopf. »Der Schnee unter ihr ist an die dreißig Zentimeter hoch, und als wir hier ankamen, lagen ungefähr fünfzehn Zentimeter auf ihr drauf, frisch und unberührt. Ich würde sagen, das meiste davon ist letzte Nacht runtergekommen.«
    »Dann hat sie mindestens vierundzwanzig Stunden hier gelegen?«
    »Mindestens. Und sie hat Spuren von vermodertem Laub in den Haaren. Die einzige Stelle, wo kein Schnee liegt, ist da hinten unter den Stechpalmen. Vielleicht hat sie da vorher gelegen. Ich habe jemanden hingeschickt, um Bodenproben zu nehmen.«
    »Es ist selbst bei Tageslicht nicht leicht, in diese Einfriedung hineinzukommen. Und hier drin gibt es nichts zu sehen. Gibt es überhaupt Anzeichen dafür, dass sie gezogen oder geschoben wurde?«

    »Außer denen, die ich bereits erwähnt habe, gibt es keine Spuren an ihrem Körper. Sie ist entweder von selbst hierhergekommen, was, da stimme ich
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