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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt
Autoren: Deborah Crombie
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Stufen hinauf und wollte schon ins Haus stürmen, bremste sich aber im letzten Moment, als ihr einfiel, dass sie unbewaffnet war. Schon ein gewöhnlicher Schlagstock hätte ihr einen gewissen Schutz geboten. Da ertönte wieder dieser Schrei. Sie spürte, dass Gemma direkt hinter ihr stand, und stieß die Tür auf. »Polizei!«, rief sie.
    Der Rauch blendete sie. Sie blinzelte und duckte sich hustend. Wieder ein Schrei. Sie drehte sich in die Richtung, aus der er kam, und erblickte nicht Andy, sondern Joe Peterson, der zusammengekrümmt am Boden lag und sich den Bauch hielt.
    Eine heisere Stimme sagte: »Melody.« Ein paar Schritte von Peterson entfernt saß Andy an die Wand gelehnt, sein Gesicht so mit Blut verschmiert, dass sie ihn fast nicht erkannt hätte. Er hatte den Kopf einer Frau auf seinen Schoß gebettet.
    Ein Stromkabel war lose um den Hals der Frau geschlungen. Nadine. Das musste Nadine sein.
    »Er hat versucht – Er hat versucht, sie zu erdrosseln«, krächzte Andy. »Aber sie ist …«
    Ein Krachen im hinteren Teil des Zimmers ließ sie zusammenfahren, und sie sah die Flammen aufflackern.
    »Wir müssen raus.« Mit gesenktem Kopf lief Gemma auf die beiden zu.
    »Kannst du gehen?«, fragte Melody Andy mit banger Stimme, erschrocken über das viele Blut.
    »Ja, es ist nur ’ne Platzwunde am Kopf. Mir ist … ein bisschen schwummrig. Hab’s nicht geschafft, sie hochzuheben.«
    »Gut. Also los.« Melody und Gemma zogen Nadine behutsam von Andys Schoß und fassten sie unter den Achseln, um sie hochzuheben. Andy rappelte sich schwankend auf, und zu dritt bugsierten sie Nadine zur Tür. Sie regte sich und begann zu protestieren, von Husten geschüttelt. »Ruhig, ganz ruhig«, sagte Melody. »Wir bringen Sie in Sicherheit. Wir sind gleich draußen.«
    Joe Petersons Schreie waren verebbt, er wimmerte nur noch wie ein verwundetes Tier. »Lasst mich nicht hier liegen«, stöhnte er. »Ihr könnt mich doch nicht hier liegen lassen, ihr Schweine!«
    »Wir kommen wieder. Und die Feuerwehr ist unterwegs«, rief Gemma, als sie Nadine aus dem Haus zogen. Sie alle sogen die frische Luft tief in ihre Lungen, dann keuchte Melody, der die Tränen nur so über die Wangen strömten: »Wie sollen wir sie denn die Treppe runterschaffen?«
    Da tauchten Gestalten aus dem Schneegestöber auf – Nachbarn, die zu Hilfe eilten. Stimmen redeten auf sie ein, helfende Hände streckten sich aus, um ihnen Halt zu geben, und so gelang es Melody, Gemma und Andy, Nadine die Stufen hinunterzubringen, ohne dass jemand stürzte. Nadine fing wieder an zu husten.
    »Decken«, rief Gemma. »Kann irgendwer Decken organisieren?«
    »O Gott«, flüsterte Andy. Unter dem Blut war sein Gesicht aschfahl. »Ich dachte, sie ist tot.«
    Melody tätschelte seinen Arm. »Ich denke, sie ist okay.« Sie wies auf das Haus hinter ihnen. »Und Joe – was ist mit ihm passiert?«
    »Er – er hat mir aufgelauert. Er hat sich auf mich gestürzt und wollte mich erdrosseln. Und dann Nadine. Ich habe auf ihn eingestochen.« Andys Stimme zitterte. »Mit einem Schraubenzieher. Ein Kreuzschlitz, glaub ich.«
    Rauchschwaden quollen aus der Tür. Melody wurde von Angst gepackt. »Gemma, komm. Wir können nicht auf die Feuerwehr oder den Rettungswagen warten. Andy, du bleibst bei Nadine. Wir müssen Joe da rausholen, sonst verbrennt er.«
    »Melody, nein.« Andy packte ihren Arm. »Du kannst nicht ins Haus zurückgehen. Es ist zu gefährlich!«
    »Ich kann ihn nicht da liegen lassen. Mach dir keine Sorgen um mich.« Sie schenkte ihm ein – wie sie hoffte – beruhigendes Lächeln und folgte dann Gemma.
    In der Ferne heulten Sirenen, doch Melody wusste nicht, wie schnell die Rettungsfahrzeuge bei dem Verkehr durchkommen würden, wenn sie nicht sogar am Berg liegen blieben.
    »Diese verflixten Stufen«, schimpfte Gemma, als sie an der Treppe ankamen. Sie hielt einen Moment inne, dann zog sie ihren Mantel aus und warf ihn über die ersten zwei Stufen. »Aber ich lasse Joe Peterson nicht in diesem Haus zurück. Wenn er zwei Menschen ermordet hat und noch einen dritten und vierten Mord versucht hat, dann will ich ihn verdammt noch mal vor Gericht sehen.«
    Melodys alte Daunenjacke deckte die restlichen Stufen ab. Sie stampften den Stoff glatt, dann stiegen sie die Treppe hinauf und gingen mit gesenkten Köpfen durch die Tür. Zwar konnten sie kaum etwas erkennen, doch sie wussten noch ungefähr, wo Joe lag. Der Rauch war jetzt noch dichter, die Hitze schier
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