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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt
Autoren: Deborah Crombie
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unerträglich.
    »Du nimmst die eine Schulter, ich die andere. Wir müssen ihn schleifen«, sagte Gemma mit erstickter Stimme und hustete. Melodys Augen brannten.
    Joe wimmerte, doch als sie ihn unter den Achseln fassten und ihn zur Tür zu ziehen begannen, schrie er auf, dann begann er sich zu wehren und auf sie einzuschimpfen.
    »Das tut weh, Mann, das tut weh! Ihr blöden Kühe, ihr bringt mich um!« Obwohl sie ihn im Rettungsgriff hatten, gelang es ihm, nach dem Griff des Schraubenziehers zu fassen, der, wie sie jetzt sehen konnten, aus seinem Bauch ragte. Ein dunkler, nasser Fleck hatte sich um die Einstichstelle gebildet, und Melody konnte durch den Rauch hindurch das Blut riechen. »Zieht ihn raus!«, schrie er, als Melody seinen Arm zurückriss.
    »Sind Sie verrückt? Wollen Sie verbluten? Lassen Sie die Finger davon.« Sie und Gemma zogen ihn, so schnell es ging, rückwärts zur Tür hinaus. Sobald sie draußen waren, kamen wieder die Helfer hinzu, um ihn die Stufen hinunterzutransportieren.
    »Vorsichtig, vorsichtig«, sagte Gemma. »Bewegt ihn so wenig wie möglich.«
    Im Licht konnte Melody sehen, dass Joes Gesicht eine von Wut und Schmerz verzerrte Grimasse war.
    Die Sirenen waren jetzt ganz nah. Als sie aufblickte, sah sie voller Erleichterung das Blaulicht am oberen Ende der Straße flackern und mehrere Gestalten in neongrünen Sicherheitswesten die Straße herunterlaufen.
    Ihre Wangen fühlten sich wie versengt an, und ihre Knie drohten einzuknicken. Sie überließ es den anderen, sich um Joe Peterson zu kümmern, und blickte sich suchend nach Andy um.
    Als sie sich umdrehte, sah sie ihn auf der anderen Straßenseite auf dem Bordstein sitzen, das Gesicht immer noch blutverschmiert, den Arm um die in Decken gehüllte Nadine gelegt. Dann verschwammen die Umrisse der zwei Gestalten im Wirbel von Schnee und Asche.
    Der erste Krankenwagen hatte Joe Peterson mitgenommen, der zweite Nadine. Auch Andy war trotz seiner Proteste von einem Streifenwagen in die Notaufnahme des King’s College Hospital gefahren worden, wo seine Kopfwunde gesäubert und verbunden werden sollte.
    Die Feuerwehr hatte es geschafft, einen Schlauch von der Westow Hill zum Haus zu legen. Es war ihnen gelungen, ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser zu verhindern, doch die Wohnung selbst war völlig ausgebrannt. Gemma hoffte, dass die neuen Besitzer gut versichert waren.
    Sie hatten Melodys Clio zurücklassen müssen, der am Westow Hill im Schnee feststeckte, und sich von einem der Streifenwagen – schön langsam – zum Krankenhaus fahren lassen. In der Krankenhaustoilette wusch Gemma sich den Ruß von Gesicht und Händen und kämmte ihre Haare, doch der Rauchgestank, der in ihren Kleidern hing, ließ sich nicht überdecken. Sie würde alles erklären müssen, wenn sie nach Hause kam, und Duncan würde nicht begeistert sein, wenn er erfuhr, dass sie in ein brennendes Gebäude gelaufen war, und das gleich zweimal. Nun ja, es war nicht zu ändern.
    Als sie in den Wartebereich zurückkam, fiel ihr auf, wie blass und erschöpft Melody aussah. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Ende gut, alles gut, so heißt es doch, oder?« Melody schob sich eine leicht angesengte Haarsträhne hinter die Ohren und lächelte, doch Gemma sah, dass sie sich dazu zwingen musste.
    »Andy wird bald wieder auf dem Damm sein.«
    »Ich weiß«, antwortete Melody, ohne ihren Blick zu erwidern. »Sollen wir mit ihm anfangen?«
    »Nein. Ich denke, wir sollten zuerst mit Nadine sprechen. Da ist immer noch einiges, was ich nicht verstehe.«
    Nadine Drake hatte starke Quetschungen am Hals erlitten, die behandelt worden waren, doch die Ärzte in der Notaufnahme hatten Gemma mitgeteilt, dass sie nicht ernsthaft verletzt sei und vernommen werden könne.
    Joe Peterson würde so schnell keine Fragen beantworten. Er wurde gerade für die Operation vorbereitet, bei der sich erst herausstellen würde, wie schwer seine Verletzungen waren.
    Sie fanden Nadine in einer Ecke des Krankensaals, die mit einem Vorhang abgetrennt war. Dort lag sie mit Kissen im Rücken auf einer Fahrtrage. Als sie eintraten, breitete eine Schwester gerade eine weitere warme Decke über sie. »Sie steht immer noch ein wenig unter Schock, und ihr ist kalt«, erklärte die Schwester. »Und sie hat starke Halsschmerzen, also bleiben Sie nicht zu lange.«
    Es war das erste Mal, dass Gemma Nadine in Ruhe betrachten konnte. Ihre dunklen Haare waren vom Schnee noch strähnig und feucht, ihr
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