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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt
Autoren: Britta Strauss
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bleiben würde. Ein trostloser Schatten vergangener Leben. Verkohlte Scheiterhaufen, davor Dutzende Leichen. Schwarz gekleidet, die Gesichter verzerrt. Er fragte sich, was aus Jethro geworden war. Wusste er von Nikolais Verrat? Bruchstücke wunderbare Bilder huschten durch seinen Geist. Gemeinsame Momente mit Elena. Fern und tröstend.
    Seine letzte Hoffnung galt einem Wiedersehen. Irgendwo und irgendwann.
    Alles verschwand in weiß glühender Qual. Inzwischen leckten die Flammen an Elenas Beinen, verbrannten ihre sahnige Haut, sogen ihr das Leben aus.
    Es tut mir leid, schrie er in Gedanken. Es tut mir unendlich leid. Bitte lasst sie schnell sterben. Lasst sie nicht leiden.
    Plötzlich zerschnitt ein Schrei den Schleier über seinem schwindenden Bewusstsein. Etwas fiel gegen den Scheiterhaufen, ließ Funken aufsprühen und berührte ihn an der Hüfte. Der Schrei ging über in ein Kreischen. Etwas zerschnitt sirrend die Luft, dann fielen seine Fesseln. Zuerst an seinen Händen, dann an den Füßen. Ein grober Stoß – und er fiel nach vorn in den Sand. Instinktiv rollte sich Daniel herum, zweimal, dreimal, seine eigenen Schmerzensschreie wie von fern hörend, bis er direkt vor einem der Kristalle lag. Er griff danach, berührte ihn – und ließ sich fallen in einen Strudel weiß strahlender Energie.
    „Elena …“, kam es über seine Lippen, doch er konnte nicht aufstehen. Unmöglich. Seine Beine waren nur noch brodelndes Fleisch, seine Füße fast schwarz. Irgendjemand hatte ihn befreit, der, so hoffte er inbrünstig, auch sie befreite.
    Eine Zeit lang war es still. Sein Geist erhob sich und sah die Szenerie von oben. Nikolai, der Durats Brustkorb mit einem Kurzschwert durchbohrte, das er versteckt unter seinem weiten Hemd getragen hatte. Elena, die leblos in den Sand fiel, von ihren Fesseln befreit und mit furchtbar verbrannten Unterschenkeln. Durats Körper, der in die Flammen fiel und zuckte wie eine sterbende Schlange, umhüllt von einem strahlenden Licht, das Daniel nur allzu vertraut war. Moa’ris Seele tat das, was keine menschliche Waffe vermochte. Er tötete seinen Gegner, rächte sich mit Zorn und Bitterkeit, verkohlte das Fleisch, bis kein Leben mehr übrig war, um letztlich aufzusteigen und Daniel sanft zu streifen. Erlöst. Endlich wahrhaft frei.
    „Ich danke dir. Lebe wohl, mein Freund.“
    Die Seele des Mayas löste sich auf, diesmal für immer. Daniel sah seinen Körper leblos im Sand liegen, daneben den zitternden Nikolai, der unter der Wirkung des Giftes sein Leben aushauchte.
    Er wollte in seine fleischliche Hülle zurückkehren, für Elena, doch der Sog des schwarzen Nichts war stärker. Es hüllte ihn ein und trieb ihn fort, weiter und weiter, bis nichts mehr existierte außer gedankenlosem Nichts. Erinnerungen flossen darin, ohne ihn zu berühren. Er wollte verweilen. In diesem Zustand gab es nichts, das Schmerzen hätte verursachen können. Weder geistig noch fleischlich. Doch er wusste, dass diese Schwerelosigkeit nur ein flüchtiger Hauch war. Ein Refugium, in das man nur kurz eingehüllt wurde, und als er diesmal zurückkehrte in sein brennendes, prickelndes Gefängnis aus Fleisch, fühlte er kein Bedauern. Nur Erleichterung.
    Er spürte, dass sie lebte. Dass sie bei ihm war. Neben ihm. Ihre Finger waren in seinem Haar, ihre Lippen auf seiner Stirn. Schwer atmend kauerte sie über ihm.
    „Elena?“
    Ihre schokoladenbraunen Rehaugen waren das Schönste, das er jemals gesehen hatte. Noch immer war sie nackt, und vor der Kulisse des nächtlichen Meeres, nur erhellt von Mond- und Flammenschein, besaß sie die Erhabenheit einer Göttin. Traum und Wirklichkeit vereint in einer Frau.
    „Sind wir tot?“, fragte er leise. „Oder leben wir?“
    Angesichts ihres unversehrten Körpers erschien ihm einen Moment lang Ersteres wahrscheinlich. Doch er kannte die verschiedenen Welten. Dies hier war die für ihre Körper bestimmte Wirklichkeit. Kein Jenseits und kein Traum.
    „Nikolai“, wisperte Elena. „Er sagte, er wäre sich im Krankenhaus sicher gewesen, dass ich nicht schießen würde. Aber ich habe geschossen. Seitdem stellte er alles infrage, was für ihn sicher gewesen war. Er hat Durat getötet. Weil er erkannte, dass er nichts als Lügen verbreitet hatte.“
    Sie deutete auf eine schwarze, lodernde Gestalt inmitten der Flammen seines Scheiterhaufens. Es war der Körper des alten Mannes. Verbrannt wie Ikarus, der glaubte, höher als jeder andere fliegen zu können.
    Daniel schloss eine
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