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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt
Autoren: Britta Strauss
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empfunden hat, habe nicht ich ihr zugefügt, sondern du.“
    „Was meinst du?“
    „Der Abend, an dem sie dich anrief, weil sie sich verfolgt fühlte. Das alte Mädchen hatte recht. Ich war ihr gefolgt, und ich versteckte mich in ihrer Wohnung. Sie hatte große Angst, wirklich große Angst, aber du hast sie ihr genommen. Mein starker, furchtloser Held.“ Sie lachte glockenhell. „Als sie dir einen Tee kochte und kurz in der Abstellkammer verschwand, um eine Flasche Rum zu holen, kippte ich eine Droge in eure Tassen. Ein nettes, kleines Schlafmittel gepaart mit einem Halluzinogen. Als du Rebecca gesehen hast, die dir ein Brandzeichen verpassen wollte, hat dein Gehirn ein paar falsche Verbindungen geknüpft. So was passiert eben. Millionenfach jeden Tag auf dieser Erde. Tatsächlich schlief Rebecca vor dem Kamin ihren Rausch aus. Wie auch immer, etwas hat mich daran gehindert, dir das Mal zu verpassen. Was war es? Was hast du gemacht? Es sah für einen Moment so aus, als wenn … ich dachte, ich hätte eine leuchtende Gestalt gesehen. So ähnlich wie ein Geist.“
    Daniel presste die Lippen aufeinander und sagte nichts. Violet zuckte mit den Schultern. „Gut, dann eben nicht. Ich weiß, dass du irgendeine Kraft in dir hast, die uns befreien wird. Dich, deine Geliebte, uns alle. Nur darauf kommt es an.“
    „Euch befreien?“ All seine Bitterkeit entlud sich in einem Lachen. „Greg hat euch ein Märchen erzählt, nichts weiter. Alles, wonach er trachtet, ist ultimative Macht. Er ist der pure Egoist. An euch ist er nicht im Geringsten interessiert.“
    „Still!“ Violet verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. „Der Körper ist ein Grab. Ein Gefängnis aus Fleisch, und Greg wird uns daraus befreien.“ Ihre Stimme überschlug sich fast. Die Zweifel, die hinter ihrer Selbstsicherheit erwachten, machten ihr Angst. „Erst der Tod befreit unsere Seelen. Wir werden frei sein. Ohne die Grenzen des Körpers. Warum hängst du so an dieser Welt? Sie ist voller Lügen und Missverständnisse. Immer mehr Menschen werden allein gelassen mit ihren Sorgen und Ängsten. Die Welt wird mit jedem verstreichenden Tag kälter und gefühlloser, und wir alle sind ein Teil dieser Entwicklung. An dem Abend verpasste ich Rebecca eine Brandwunde, bevor ich verschwand. Für dich war sie der Beweis, dass deine alte Freundin lügt. So kann man sich irren. Stuart? Gib mir bitte mal das zweite Kästchen.“
    Daniel warf sich gegen seine Fesseln. Verzweiflung wischte seine Schwäche beiseite, Zorn verlieh ihm neue Kraft. Er spürte, wie das Nylon sich dehnte und zu reißen begann, doch er war nicht schnell genug. Vier Hände packten ihn bei den Schultern und drückten ihn zu Boden, eine Nadel bohrte sich in seinen Arm und entlud heiße Säure in seine Ader. Fast augenblicklich trübten sich seine Sinne. Säuselndes, flüsterndes Licht umwaberte ihn, nahm ihn mit sich und hob seinen Körper in glückselige Schwerelosigkeit empor. Der Zorn schwand. Erinnerungen lösten sich auf in strahlender Helligkeit. Er flog. Hoch und weit und frei.
    Meeresrauschen.
    Er liebte dieses Lied. Es sprach vom ewigen Fluss der Gezeiten. Es vertonte die Unendlichkeit und den Frieden. Er hatte sich stets gewünscht, mit dem Rauschen der Wellen in die nächste Welt zu reisen, doch jetzt bestand alles, was er wahrnahm, aus ungläubigem Schrecken.
    Sein Körper trug unbeirrt die Maske, während er gefesselt an einem ausgebleichten Treibholzstamm hing, die Hände über dem Kopf zusammengebunden, die Fußgelenke so fest verschnürt, dass der Blutfluss unterbrochen wurde. Selbst wenn er sich hätte losreißen können, wäre laufen oder gar rennen unmöglich gewesen. Sein Mund lächelte, sein Blick glitt ins Leere, furchtlos für jeden, der sich vom Schein täuschen ließ. Silberne Schaumkronen tanzten im Mondlicht. Er sah die Sterne über sich, als erblickte er sie zum ersten und letzten Mal.
    „Elena.“ Dieses Wort auszusprechen, erfordert alle ihm verbliebende Kraft. Sein Kopf schien aus Blei zu bestehen, als er ihn ihr zuwandte. Auch sie hatte man nackt an einen Baumstamm gebunden. Ihren Körper zu sehen, wunderschön und zerbrechlich, gefesselt auf den Tod wartend, übertraf jeden Schmerz, den er je empfunden hatte. Unter der Wirkung der Droge spürte er ihre Angst. So viel Angst, dass ihre Schärfe ihm wie eine Klinge das Herz zerteilte.
    Langsam glitt ihr Blick zu ihm. Um sie herum standen schwarz gekleidete Menschen mit blassen Gesichtern. Seltsam ruhig, mit
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