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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt
Autoren: Britta Strauss
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stieg er, während die Luft einen stechenden Geruch annahm, der an Schwefel erinnerte. Ihm war, als begäbe er sich in den Schlund eines schlafenden Monstrums. Obwohl er im Laufe seiner Reisen weit gefährlichere Orte betreten hatte, musste er sich zwingen, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
    Als die Treppe endete, sah er einen weiteren Eingang, ähnlich jenem auf der Spitze des Gebäudes. Offenbar war das gewaltige Bauwerk die Hülle eines kleineren Zwillings. Eine Pyramide über einer Pyramide, wobei die kleinere weitaus älter zu sein schien. Greg wusste dank seiner Studien, dass viele Herrscher ihre neuen Monumente einfach auf die alten setzten, einerseits, weil es praktische Vorteile mit sich brachte, andererseits, weil es einen Neuanfang mit noch größerer Macht symbolisierte.
    Götterdarstellungen bedeckten die Wände der kleineren Pyramide und tanzten im flackernden Licht der Lampe. Zumeist handelte es sich um Mischwesen aus Mensch und Tier. Jaguarzähne aus Pyrit glitzerten im Feuerschein, Schmuck aus Jade und Obsidian zierte die Körper in Stein erstarrter Könige. Greg erkannte die Darstellung eines Kolibris und eines Kaimans, doch es gab auch Wesen, die dem Reich der Fantasie entsprangen. Manche erinnerten an monströse Hunde, deren Hinterleiber im Schwanz einer Schlange endeten. Andere glichen Chimären aus Vögeln und Echsen.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Sein Ziel war zum Greifen nah. Er spürte die Macht bereits, die in der Luft vibrierte. Ihre Energie floss über seinen Körper, lag wie ein Geschmack nach Metall auf seiner Zunge und flutete ihn mit Euphorie.
    Bald war es so weit. Bald würde sich sein Schicksal erfüllen.
    Er passierte ein enges Gewölbe. Darin befand sich ein schwarzer Jaguar aus Obsidian, dessen Flecken mit Jadeplättchen nachgebildet waren. Wie ein Mensch stand er da, auf zwei Beinen und mit würdevollem Gesichtsausdruck. In der rechten Pranke hielt er einen goldenen Speer. Das Geräusch fallender Tropfen hallte im Inneren der Pyramide wider. Wasser drang durch das marode obere Bauwerk und floss in das untere hinab, ließ die Wände feucht glänzen und machte den Boden glitschig. Etwas lag in der Luft, das sich in Gregs Lungen fraß und ihn husten ließ. Eine Teufelei der Erbauer? Hatte er etwas ausgelöst, das nun Gift durch die Pyramide strömen ließ?
    Es folgte ein weiterer Gang, darauf ein zweites, diesmal leeres Gewölbe. Seine Augen, durch jahrelange Expeditionen in die entlegensten Winkel der Erde geschult, erkannten die hauchfein tiefergelegten Steine im Boden. Vermutlich Auslöser für Fallen. Behutsam umging er die Stellen, erreichte unversehrt den nächsten Durchgang und betrat einen Raum, der deutlich größer war als die beiden vorherigen. Wie tief mochte er inzwischen in das Innere des Bauwerks vorgedrungen sein? Fünfzig Yards? Hundert? Er glaubte, den Atem der Erde zu riechen. Den fauligen Hauch ihres uralten Herzens.
    Mitten im ansonsten leeren Gewölbe stand ein Quader aus Obsidian, schwarz glänzend im Licht der Argand-Lampe. Ein Künstler ferner Zeiten hatte ihn mit solcher Präzision aus dem harten, vulkanischen Glasgestein gehauen, dass jeder Steinmetz der Moderne vor Ehrfurcht auf die Knie gesunken wäre. Die Oberfläche des Quaders glänzte makellos wie ein Spiegel. Es schien, als bestünde sie aus schwarzem, fließendem Wasser, das ein geheimnisvolles Spiel mit Licht und Schatten trieb.
    Greg wollte die Obsidianfläche soeben berühren, als das Licht seiner Lampe etwas aus der Dunkelheit schälte. Keine drei Schritte entfernt lehnte ein Mann an der Wand. Vielmehr eine Mumie, mit dem prächtigen Kopfputz eines Maya-Oberhauptes geschmückt. Schillernd grüne Quetzalfedern bildeten mit blauen Federn eines Hyazinth-Aras eine beeindruckende Haube. Greg erkannte einen Kragen aus herrlich bearbeiteter Jade, der sich um Hals und Schultern der Mumie schmiegte. Armreifen aus Gold verzierten ihre Arme, schwere Ohrringe steckten in vertrocknetem, lederartigem Fleisch. Der Lendenschutz der Mumie war mit komplizierten schwarzen Symbolen bemalt, Bänder aus braun und schwarz gestreiften Federn schlangen sich um ihre Fußknöchel, lebendig in ihren Farben, als wären sie vor Kurzem erst angelegt worden.
    Wie herrlich musste dieser Mensch zu seinen Lebzeiten ausgesehen haben? Jahrtausende musste er hier stehen. Ein Wächter des Relikts, nach dem Greg so lange gesucht hatte. Ehrfurcht erfüllte ihn, doch sie war nur eine blasse Regung hinter einem gewaltigen
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